Engagiert, beliebt, pädophil

Justiz In Darmstadt steht ein Pädagoge wegen schweren Kindesmissbrauchs vor Gericht

"Er gibt nur das zu, was ihm vorgeworfen wurde"

Die Anwältin der Mutter

DARMSTADT taz | „Die Hose zieht er mir runter. Dann streichelt er mich innen, außen und hinten.“ Eine Aussage, die Eltern das Blut in den Adern gefrieren lässt. Doch genau das ist im Sommer 2015 im südhessischen Roßdorf passiert, in einer Kita.

Und zwar ausgerechnet durch einen heute 29-jährigen Mitarbeiter der evangelischen Kindertagesstätte, einen studierten Pädagogen. Laut Anklageschrift des Landgerichts Darmstadt soll er sich des schweren Missbrauchs an einer damals Drei-, beziehungsweise ­Vierjährigen, in fünf Fällen schuldig gemacht haben. Der Beschuldigte Fabian K. hat am Donnerstag beim ersten Verhandlungstag alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft eingeräumt. Er gestand, das Mädchen an den inneren und äußeren Schamlippen gestreichelt zu haben. Auch einen Finger habe er ihr einmal in die Scheide und einmal den Po eingeführt. Neben den fünf Fällen von schwerem Missbrauch einer Schutzbefohlenen steht K. wegen Besitzes von kinderpornografischem Material vor Gericht.

All die Taten wollen auf den ersten Blick so gar nicht zu dem Beschuldigen K. passen. Sein Lebenslauf ist mustergültig: Abi, Freiwilliges Soziales Jahr. An der renommierten Pädagogischen Hochschule Heidelberg studierte K. zunächst einige Zeit mit dem Ziel Lehramt, bevor er in Hessen Sozialpädagogik studierte und 2015 abschloss. In dem lokalen Sportverein nahm er fast jedes erdenkliche Ehrenamt an. Er war Trainer, Beisitzer im Vorstand, organisierte Turnfeste. Doch es waren hauptsächlich junge Kinder bis 12, das für ihn sexuell attraktive Alter, für die er sich am meisten engagierte. „Vielleicht unterbewusst“, räumte K. am Donnerstagvormittag ein.

Als die tränenüberströmte Mutter des Mädchens in den Gerichtssaal kommt, sagt auch sie: „Wir haben uns ja eigentlich immer gut verstanden. Zum Turnunterricht, den er im örtlichen Verein gegeben hat, ist meine Tochter unwahrscheinlich gern gegangen.“ Auch Monika Grothe, die Leiterin der evangelischen Kita, hatte keinerlei Auffälligkeiten bemerkt. Er hätte eine „normale professionelle Nähe“ mit den Kindern gehabt. „Ich war entsetzt“, so Grothe als die Vorwürfe bekannt wurden.

Der Schwachpunkt war die Mittagspause in der Kita, in der er allein in einem abgedunkelten Kellerraum auf die Kinder während ihres Mittagsschlafs aufpassen sollte. „Da war die Versuchung dann da“, sagt K. vor Gericht. Bei ausgebildeten Pädagogen gibt es kein Vieraugenprinzip. Sie dürfen allein Kinder betreuen.

Der 29-Jährige erklärte vor Gericht, dass er schon in seiner Jugend festgestellt habe, dass er sich nur von Mädchen im Alter von 3 bis 10 angezogen fühlte. „Ich bin pädophil“, begann er seine Erläuterungen. „Aber auf der Arbeit dachte ich, dass ich das im Griff habe. Die Arbeit hat mich professionell erfüllt.“ Aus Scham habe er sich nicht früher an einen Therapeuten gewandt: „Ich dachte ich hätte das unter Kontrolle.“

Die Kita-Leiterin wollte sich am Donnerstag gegenüber der Presse nicht weiter äußern. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe war K. noch am nächsten Tag freigestellt worden. Er entschuldigte sich im Prozess bei der Mutter seines Opfers.

Die Rechtsanwältin Angela Gräf, die die Mutter des Kita-Kinds vertritt, hält allerdings die Einlassungen des Angeklagten für nicht besonders glaubwürdig: „Er ist sehr intelligent und gibt nur das zu, was ihm vorgeworfen wurde.“ Sie glaubt, dass die von ihm eingestandenen Vorfälle nur die Spitze des Eisbergs seien.

Zurzeit ermittelt die Polizei noch wegen eines weiteren mutmaßlichen Fall des Kindesmissbrauchs gegen K. Das Urteil wird für den 3. Mai erwartet.

Alina Leimbach