heute in Bremen
: "Abseits der Konzerne"

ÖKONOMIE Karl-Heinz von Bestenbostel über eine neue Geldpraxis, die ohne Zinsen auskommt

Karl-Heinz von Bestenbostel

:

65, Lehrer im Bereich Wirtschaft an den Berufsbildenden Schulen Osterholz-Scharmbeck

taz: Herr von Bestenbostel, wie ist Ihre Kritik am derzeit bestehenden Wirtschaftssystem?

Karl-Heinz von Bestenbostel:

Es hat einen Systemfehler: Das Geld entsteht größtenteils durch Geldschöpfung, das heißt, dass Sie einen Kredit aufnehmen und über etwas verfügen, das vorher nicht da war. Das Problem ist, dass der Zins nicht mit geschöpft wird und wieder neu geliehen werden muss. Das führt zu einer Spirale von Verschuldung. Ein Automatismus, weswegen etwa alle 70 Jahre das Geldsystem zusammen bricht.

Wie kann eine regionale Währung wie der Roland dem entgegen wirken?

Bei uns entsteht Geld im Augenblick des Leistungsaustausch – wie zum Beispiel, wenn das Brot beim Bäcker gekauft wird: In dem Moment, in dem ein Scheck für das Brot ausgestellt wird, entsteht der Roland. Wir sind zinsfrei und die Wertschöpfung bleibt in der Region. Die Menschen vernetzen sich und haben wieder etwas miteinander zu tun. Wir vergeben auch Kredite, aber nur in bescheidenem Maße. Unser Motto ist „Regional versorgen, jenseits der Konzerne, miteinander“.

Auch um die Gemeinwohl-Theorie von Christian Felber soll es bei der Diskussion heute Abend gehen – wo sind Schnittstellen?

Was uns verbindet, sind Prinzipien wie Solidarität, soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und politische Teilhabe. Wir wollen allerdings etwas anderes als Felber. Uns geht es nicht darum, die Gemeinwohlökonomie weltweit einzuführen. Felbers Theorie sieht die Einführung von Konventen als politisches Entscheidungsgremium vor. Unser System existiert schon und funktioniert. Dafür brauchen wir nicht auf den Beschluss eines politischen Konvents zu warten.

Die Lösung ist die Regionalwährung? Oder müsste sich darüber hinaus etwas verändern?

Wenn man auf Griechenland schaut, auf die Staatsverschuldung und auf weltweite Umweltprobleme, ist klar, dass die Welt nicht allein dadurch besser wird, dass wir eine neue Währung neben dem Euro einführen. Unsere Blickrichtung hat sich mittlerweile verändert: Es soll nicht bei einer komplementären Währung bleiben, wir wollen eine Alternative abseits der Konzerne schaffen.

INTERVIEW: Leandra Hanke

19.30 Uhr, Villa Ichon. Referenten: Jürgen Fuchs (Attac) und Karl-Heinz von Bestenbostel (Roland Regio)