Kulturelle Flüchtlingsintegration: Shitstorm gegen Hessenpark

Kostenloser Eintritt für Flüchtlinge in ein Freilichtmuseum? Rechte rufen zum Boykott auf und drohen Mitarbeitern mit Mord.

Ein Platz mit Brunnen und Fachwerkhäusern

So schön beschaulich sind deutsche Fassanden – doch dahinter lauert der Hass Foto: dpa

FRANKFURT AM MAIN taz | „Wer nach Deutschland kommt, muss sich an die deutsche Hausordnung halten“, mahnt Julia Klöckner derzeit allerorten drohend. Deutsche Sitten und Bräuche sollten nicht nur respektiert, sondern bestmöglich erlernt werden – und zwar verpflichtend, fordert die christdemokratische Wahlkämpferin, die Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz werden würde. Alle, die ihr beipflichten, müssten eigentlich froh sein über das Angebot des Hessenparks im benachbarten Bundesland. Doch ausgerechnet dieses Musterbeispiel dafür, Geflüchteten deutsches Kulturgut näherzubringen, steht jetzt massiv in der Kritik der Deutschtümelfraktion.

Die Betreiber einer rechten Facebookseite haben die Preistafel des in Neu-Anspach gelegenen Freilichtmuseums abfotografiert und hochgeladen. Sie empören sich über die vermeintliche Diskriminierung der „deutschen Hartz IV Empfänger und Behinderten gegenüber illegalen Einwanderern und ‚sogenannten Flüchtlingen“. Denn nur Geflüchtete kommen in den Hessenpark umsonst rein, Hartz-IV-Empfänger müssen 2,50 Euro zahlen, Menschen mit Handicap 4 Euro. Der Post wurde annähernd 20.000-mal geteilt.

Schon im September hatte sich der Aufsichtsrat des Hessenparks dazu entschieden, Geflüchteten und deren Betreuern den Eintritt zu erlassen: „Wir wollen, dass die Menschen bei uns im Freilichtmuseum in die Geschichte und Kultur der Region eintauchen und dadurch eine Verbindung zu ihrer neuen Umgebung aufbauen können“, erklärte Museumsleiter Jens Scheller damals. Denn genau dazu dient der Hessenpark. Inmitten der historischen Fachwerkhaussiedlung werden alte Handwerkstechniken vorgeführt, das deutsche Kulturgut Bier hat eine eigene Ausstellung und Veranstaltungen thematisieren Bräuche, etwa die Fastenzeit vor Ostern. Auch zwei alte Synagogen sind Teil des Parks.

„Man fragt sich, was da für eine niederträchtige, deutschen- und europäerfeindliche Gesinnung in den Köpfen der Verantwortlichen ihr Unwesen treiben muss“, ist noch eine der nettesten Kommentare, die den Park seit dem Posting der rechtspopulistischen Seite erreicht haben. Es hagelt Boykottaufrufe, via Telefon wurde den Mitarbeitern sogar gedroht, sie zu erhängen.

Eva Otto, Hessenpark

„Wir wollen ein Zeichen setzen für die Integration“

Das Freilichtmuseum ist daraufhin an die Öffentlichkeit getreten: „Wir wollen ein Zeichen setzen für die Integration und zeigen, dass wir die Politik der Landesregierung unterstützen. Deshalb haben wir den Eintritt für Flüchtlinge erlassen und halten daran fest“, sagte die stellvertretende Sprecherin des Hessenparks, Eva Otto, der taz. „Dass Geflüchtete freien Eintritt bekommen, ändert ja nichts an den Preisen, die es zuvor schon gab, für die anderen. Wir nehmen damit niemand etwas weg“, betonte sie. Insgesamt seien die Preise so gestaltet, dass jeder sich den Park leisten könne.

Mittlerweile hat der Shitstorm gegen den Hessenpark auch die Unterstützer auf den Plan gerufen. Neben den schlechten Bewertungen mehren sich in den vergangenen Tagen die guten Kritiken. „Der Park hat 4 Sterne verdient, ich gebe dennoch 5, da ich es super finde, dass ihr Flüchtlingen die Möglichkeit gebt, mehr über unsere Kultur zu erfahren“, sagt ein Googlenutzer. Und auch die Politik zeigt sich solidarisch. Alle im Landtag vertretenen Parteien, egal ob Linkspartei, Grüne, SPD, FDP oder die CDU besuchten den Park am Samstag. „Es ist ein Beitrag zur Integration“, betonte Bernadette Weyland (CDU).

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