Die Kritik
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Foto: Focus

Das sitzt tief

WAS SAGT UNS DAS? Focus und SZ titeln mit sexistischen und rassistischen Covern

Der Focus gibt vor, sexuelle Gewalt anzuprangern, und wirft sich in aufklärerische Pose: Auf dem Titelbild der aktuellen Ausgabe ist eine nackte, weiße, schlanke Frau zu sehen, die sich die Hände vor Brüste und Vulva hält, von Textbalken notdürftig bedeckt. Ihre Ungeschütztheit wird erotisiert: Ihr Mund ist leicht geöffnet, ihre Augenpartie ist nicht mehr im Bild. Sie ist auf ihren Körper reduziert, de-individualisiert. Sie wird betrachtet, kann aber nicht zurückschauen, ist Opfer und nicht Handelnde.

Das ist keine ­Kritik an Rape Culture – das ist Rape ­Culture. Der Titel ist das elegante Sinn­bild für alles, was in der Diskussion über die sexuellen Übergriffe in Köln falsch gelaufen ist. Er attackiert den Sexismus der „Anderen“, ist aber selbst sexistisch und erotisiert sexuelle Gewalt.

Ohnehin ist der Focus Teil der deutschen Rape Culture, die Frauen auf ihren Körper reduziert. Nackte Frauen illustrieren auf Magazin-Titelseiten alle möglichen Themen, genauso wie nackte Frauenkörper im öffentlichen Raum alle möglichen Produkte bewerben.

Wie so oft geht es in dieser Debatte weniger um die Opfer sexistischer Gewalt und des alltäglichen Sexismus. Übergriffe werden bagatellisiert, indem sie „Sexattacken“ genannt werden – als hätten sie etwas mit Sex zu tun. Sexuelle Gewalt wird erst dann als solche anerkannt, wenn sie von nichtweißen Männern ausgeübt wird.

Der Focus beteiligt sich an dieser Hetze, indem er eine vermeintlich offene Gesellschaft für die Übergriffe verantwortlich macht: „Nach den Sexattacken von Migranten: Sind wir noch tolerant oder schon blind?“ Damit bezieht er sich nicht darauf, dass die deutsche Gesellschaft schon immer tolerant mit Sexualstraftätern umgegangen ist und vor sexualisierter Gewalt die Augen verschließt. Nein, die falsche Toleranz gelte angeblich „Migranten“ allgemein.

Foto: SZ

Auf dem Focus-Titel ist der Frauenkörper mit schwarzen Handabdrücken bedeckt. Auch die Süddeutsche Zeitung illus­triert das Thema in der Wochenendausgabe ähnlich: Ein schwarzer Arm greift zwischen weiße Frauenbeine. Die Vorstellung, dass dunkle Haut ab­färbt, ist ein altes rassistisches Motiv, das dunkle mit dreckiger Haut gleichsetzt. Das Bild von schwarzen Händen, die nach einem weißen Körper greifen, von nichtweißen Männern, die weißen Frauen nachstellen, stammt zudem von tief unten aus dem Reich rassistischer sexueller Fantasien: die Beschmutzung der weißen Frau. „Rassenschande“.

Nachdem in den sozialen Medien ein Shitstorm tobte, sagte Focus-Chefredakteur Ulrich Reitz gegenüber dem Tagesspiegel, er fände die Kritik am Cover „albern“. Wer behaupte, das Cover sei sexistisch und rassistisch, „der hat Angst vor der Wahrheit“. Die Wahrheit ist aber auch: Dass Reitz trotz heftiger Kritik weiter hinter dem Cover steht, ist noch schlimmer als das Cover selbst. Es ist ein weiterer Beleg dafür, wie tief Sexismus und Rassismus sitzen.

Anna Böcker, Lalon Sander