Harte Strafen gegen Ankara

TÜRKEI Die russische Regierung verhängt Wirtschaftssanktion als Reaktion auf den Flugzeugabschuss

ISTANBUL taz | „Ist Putin wegen des Flugzeugabschusses wütend auf die Türkei?“, wurde Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am Wochenende von einem Journalisten gefragt. „Er ist sehr wütend“, bestätigte Peskow daraufhin. Was das bedeutet, müssen nun die türkische Regierung, Präsident Recep Tayyip Er­do­ğan und eine große Zahl türkischer Unternehmer und Arbeiter schmerzlich erfahren.

Nachdem Russland bereits am Samstag angekündigt hatte, dass für türkische Bürger ab dem 1. Januar 2016 die Visapflicht wieder eingeführt wird, legte Putin am Sonntag einen ganzen Katalog von Wirtschaftssanktionen vor, über die in den türkischen Medien nach dem Motto „Touristen behalten, Arbeiter rausschmeißen“ berichtet wird.

So dürfen russische Firmen ab dem 1. Januar keinen türkischen Arbeitnehmer mehr beschäftigen – für die Baubranche eine kleine Katastrophe. Rund 17 Milliarden Dollar hat die türkische Bauindustrie nach offiziellen Angaben von 2010 bis 2013 in Russland verdient. Eine große Katastrophe kommt auf die türkische Tourismusindustrie zu. Mit vier Millionen Besuchern pro Jahr waren Russen die zweitgrößte Besuchergruppe nach den Deutschen. Ab sofort dürfen russische Reiseunternehmen keinen Urlaub in der Türkei mehr anbieten, türkische Charterflugzeuge, aber auch Türkisch Airlines dürfen in Russland nicht mehr landen.

Auch die Einfuhr türkischer Waren wird weitgehend verboten. Von Elektrogeräten über Autos bis hin zu Lebensmitteln verliert die Türkei auf einen Schlag einen milliardenschweren Markt. Auch für die türkischen Agrarkonzerne ist es vorbei. Türkische Großhandelsketten, die mit Supermärkten in Russland vertreten sind, müssen nun wohl schließen. Die größten Brocken, über die noch nicht entschieden ist, betreffen den Energiesektor. Die Türkei ist nach Deutschland der zweitgrößte Gasimporteur aus Russland. Knapp 17 Milliarden Dollar musste sie dafür 2014 überweisen. Putin will den Gasverkauf nicht stoppen, aber wenn die Krise nicht beigelegt wird, wird die Türkei sich nach anderen Quellen umschauen.

Das gilt auch für die große Pipeline, die Russland durch das Schwarze Meer in die Türkei und nach Griechenland bauen will. Das Projekt wird Ankara jetzt auf Eis legen. Jürgen Gottschlich