Hundertschaften trennen die Kontrahenten

Demonstration Beim Al-Quds-Tag treffen wie immer Israelgegner und Israelfreunde aufeinander, die Stimmung ist aufgeladen

„Da drüben stehen die zionistischen Faschisten“, erklärt ein Redner beim Al-Quds-Aufmarsch und zeigt über die Polizeiwagen hinweg auf die Gegendemonstranten von der Antifa. Bei denen werden die Teilnehmer des Al-Quds-Tages derweil als „islamistische Faschisten“ bezeichnet.

Jährlich kocht am „Al-Quds-Tag“ die Stimmung bei Israelfeinden und Gegendemonstranten hoch. „Al Quds“ nennen die Palästinenser die Stadt Jerusalem. Der gleichnamige Tag wurde 1979 vom iranischen Revolutionsführer Khomeini ins Leben gerufen und fordert die Rückeroberung der Stadt und die Aufhebung des Staates Israel. Rund 650 Menschen haben sich laut Polizei an diesem Samstag auf dem Adenauer Platz versammelt. Tatsächlich wirkt der Aufmarsch fast doppelt so groß.

Über den Köpfen der Menge schweben Schilder, die Assad, Hisbollah-Führer und Verletzte Kinder im Gaza-Streifen zeigen. Dazwischen wehen Palästina-Flaggen. Die Veranstalter betonen mehrfach, dass sich die Demonstration nicht gegen Juden wende, dass man keine Nazis dulde und dass niemand Gewaltverbrechen verherrlichen solle.

Redebeiträge und Parolen schlagen allerdings einen anderen Ton an. „Israel tötet Kinder“ wird im Chor gerufen. Und „Gaza, Gaza bis zum Sieg“. Auch die „Lügenpresse“ bekommt ihr Fett weg. Denn die sei von den Zionisten unterwandert und kontrolliert.

Mehrere Gegendemons­trationen begleiten die Route des Al-Quds-Aufmarsches. Am Breitscheidplatz gibt es eine Kundgebung unter dem Motto „Internationaler Tag der Solidarität mit Israel“. Dazu hatten verschiedene Gruppen, darunter das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, die Grüne Jugend und der Lesben- und Schwulenverband aufgerufen.

Die Neuköllner Bezirksverordnete und ehemaliges Piratenmitglied Anne Helm findet: „Der Antisemitismus des Al-Quds-Tages wird auf verschiedene Weise verschlüsselt.“ Statt des Wortes Judentum werde von Zionismus oder dem Staat Israel gesprochen. Auch die Vergleiche mit dem Holocaust seien typisch antisemitische Rhetorik.

Am Adenauerplatz haben sich derweil die Antideutschen versammelt und begegnen den Israelfeinden mit bedingungsloser Unterstützung für Israel. „Die Hamas ist verantwortlich für jeden toten Zivilisten im Gazastreifen“, sagt ein Sprecher. Israel habe jeden Waffenstillstand aufrechterhalten wollen. Hierzulande würde das Land zu Unrecht als Aggressor verteufelt.

Wer in dem Quds-Marsch nun tatsächlich wofür demonstriert und welche eigenartigen Allianzen sich dort gebildet haben, ist verwirrend. „Ich will das Existenzrecht Israels nicht infrage stellen“, sagt etwa ein junger Mann mit Palästinensertuch. Aber die Menschenrechtsverletzungen durch Israel seien eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit.

Die Gruppe, die dort zwischen Assad-Fotos und Libanon-Flaggen marschiert, ist eine krude Mischung aus Kritikern der israelischen Besatzungspolitik, Hisbollah-Verherrlichern und Verschwörungstheoretikern. In den Redebeiträgen werden einfache Weltinterpretationen vorgetragen, die keinen Zweifel lassen, wer Freund und wer Feind, wer gut und wer böse ist.

Zu Ausschreitungen kommt es trotz aufgeladener Stimmung nicht. Mehrere Hundertschaften trennen die Israel- von den Palästinafahnen und die „Free Palestine“ von den „Lang lebe Israel“-Rufen. Josephine Schulz