Mitbewohner Die einen leben in der Kanalisation, die anderen im Dachstuhl. Was wir über Ratten wissen
: Sie sind unter uns – und über uns

Steckbrief Wanderratte

Name: Rattus norvegicus; Der Name kommt von einem englischen Naturforscher, der glaubte, die Ratte sei per Schiff von Norwegen nach England gekommen – fälschlicherweise.

Größe: 10-30 cm

Gewicht: 200-400 g

Lebensdauer: 2-3 Jahre

Fortpflanzung: nach 2 Monaten geschlechtsreif, ganzjährige Paarungszeit, Tragzeit 3 Wochen, pro Wurf 8-10 Junge

Nahrung: Allesfresser, hauptsächlich pflanzliche Nahrung Verbreitung: weltweit

Wo sie leben

Weltweit gibt es rund 65 Rattenarten. Die Wanderratte und die Hausratte sind am weitesten verbreitet, da sie sich als sogenannte Kulturfolger dem Menschen angeschlossen haben und über Schiffe in die ganze Welt gelangten. Die Hausratte steht heute in Deutschland auf der Liste der gefährdeten Tierarten. Sie kann gut klettern, ist aber weniger robust als die Wanderratte, die sie zunehmend verdrängt. Die Hausratte mag es trocken, im städtischen Raum lebt sie bevorzugt in Dachstühlen. Die Wanderratte nistet sich in der Stadt in Kellern, in Gärten, in der Nähe von Müllhalden, an Flussufern und in der Kanalisation ein. Sie kann gut schwimmen und lebt häufig in Wassernähe. Zahme Wanderratten wurden zu Farbratten gezüchtet, die heute für Experimente genutzt und als Haustiere gehalten werden.

Wie viele es gibt

Häufig ist in Medienberichten von einer Ratte pro Einwohner die Rede. „Total unrealistisch“, sagt Mario Heising, Schädlingsbekämpfer aus Berlin. Auch Erik Schmolz vom Umweltbundesamt sagt, diese Zahl sei nicht haltbar. Wie viele Ratten in einer Stadt lebten, ließe sich nicht berechnen, es seien jedoch deutlich weniger als in dieser Schätzung. Sie stammt von dem englischen Biologen W.R. Boelter, der sie 1909 in seinem Buch „The Rat Problem“ veröffentlichte. Boelter hatte Landwirte zu der Häufigkeit von Ratten befragt. Das Ergebnis: 1 Ratte pro Acre (4047 Quadratmeter). 40 Millionen Acres wurden damals in England bewirtschaftet, 40 Millionen Menschen lebten in dem Land. Also: eine Ratte pro Einwohner. Texte: Katharina Brenner

Welche Krankheiten sie übertragen

Ratten können 120 Krankheiten auf den Menschen übertragen. Dazu zählt auch Ebola. Ratten werden immer wieder für die Pestepidemien des Mittelalters verantwortlich gemacht. Sie sind jedoch nur der Wirt des eigentlichen Pest-Überträgers, des Rattenflohs. Heute ist das größte Risiko, das von Ratten ausgeht, das Hantavirus: es kann zu Organschäden führen, die Symptome sind grippeähnlich. Hantaviren sind auch im getrockneten Rattenurin mehrere Tage ansteckend, sie werden meist mit aufgewirbeltem Staub eingeatmet. 2010 gab es in Deutschland 2.016 Erkrankungen. Wie viele der Erkrankungen auf Ratten zurückzuführen sind, ist nicht bekannt. Eine weitere Infektionskrankheit, die durch Ratten übertragen werden kann, ist die Leptospirose. Die Krankheit verläuft grippeähnlich und kann schlimmstenfalls Organe zerstören. Sie ist gefährlich, weil sich auch Haustiere bei den Ratten anstecken können.

Warum wir sie bekämpfen

Ratten gelten als Schädlinge. Schädlinge sind Organismen, die Krankheiten auf den Menschen übertragen können. Der Verband deutscher Schädlingsbekämpfer definiert Schädlinge aber auch als Tiere, die „Ekel und Angst“ hervorrufen. Ratten verbreiten nicht nur Krankheiten, sondern zerstören auch Essensvorräte und verursachen Sachschäden. Am vergangenen Montag zerbiss eine Ratte ein Stromkabel und verursachte damit einen Stromausfall bei der Berliner Zeitung. Die Zeitung erschien daraufhin mit unfertigen Texten.

Wie wir sie bekämpfen

Ob ein Rattenbefall meldungspflichtig ist, entscheiden die einzelnen Bundesländer. In Berlin etwa muss gemeldet werden, 7.126 Bekämpfungen gab es dort im Jahr 2014. Ratten sind zwar Allesfresser, doch sie sind vorsichtig: Ratten fressen nur, was sie von ihrer Familie kennen. Stoßen sie auf neue Nahrung, testet ein sogenannter Vorkoster, meist ein jüngeres männliches Tier, die Nahrung. Wenn es dem Vorkoster nach ein, zwei Tagen gut geht, fressen auch die anderen Tiere davon. Deshalb wird bei der Rattenbekämpfung mit Blutverdünnungssmitteln gearbeitet, dessen Wirkung erst nach vier oder fünf Tagen einsetzt. Die Ratten ziehen sich dann zum Sterben in den Bau zurück und verbluten innerlich.

Multiresistente Keime

Forscher haben Berliner Ratten gefangen und untersucht: 15 Prozent der Tiere trugen multiresistente Keime. Vermutlich hatten die Ratten die Keime aus der Kanalisation: 5 Prozent der Normalbevölkerung trage multiresistente Keime in sich, sagt Sebastian Günther, Mikrobiologe und Tierseuchenforscher an der Freien Universität Berlin. Wo genau sich die Ratten infizierten, sei aber noch nicht geklärt, ebenso wenig wie die Frage, ob Ratten die Keime auf den Menschen übertragen.

Wie wir vorbeugen

Um Rattenbefall zu erschweren, kann jeder die folgenden Dinge beachten: kein gekochtes Essen auf den Kompost, Mülltonnen gut verschließen, keinen Müll in Parks liegen lassen, keine Essensreste die Toilette runterspülen. Tiere draußen nicht auf dem Boden füttern. Kellerfenster und -türen intakt halten, damit keine Eintrittsmöglichkeiten für Ratten entstehen.