Kommentar: Barmherzigkeit sieht anders aus

Die skandalösen Vorwürfe in der Charité zeigen: Sparwahn an der falschen Stelle macht krank.

Die Auslagerung von Dienstleistungen vom öffentlichen Monopolisten an private Wettbewerber ist grundsätzlich nichts Böses, dafür gibt es viele gute Beispiele. Niemand möchte die Uhr zurückdrehen in die Zeiten, als man noch bei der Post sein graues Telefon mit Wählscheibe mieten musste - ohne Alternative. Und wichtiger: Ineffizienz und Verschwendung bei öffentlichen Unternehmen sind alles andere als sozial. Das Geld fehlt dann an anderen Stellen, davon wissen die Berliner ein Lied zu singen. Die skandalösen Vorwürfe in der Charité zeigen allerdings: Sparwahn an der falschen Stelle macht krank.

Im Gesundheitssektor ist der allgemeine Wettbewerb so hart, dass einige Spieler offensichtlich verleitet sind, nicht alle Regeln einzuhalten. Bei wie viel Prozent der Reinigungskräfte an der Charité Untersuchungen und Impfungen ausfielen, ist letztlich nicht ausschlaggebend. Fakt ist, dass Kurzzeitverträge für die Putztruppe höchstens der Rendite förderlich sind. Angst um den Job und permanente Fluktuation unter den Beschäftigten tragen keinesfalls dazu bei, dass die komplizierten Hygienevorschriften auf Intensivstationen und in OPs gewissenhaft umgesetzt werden.

Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an ein Unternehmen, das zwar Mindestlöhne zahlt, die Kosten aber hinterrücks senkt, indem es unbezahlte Überstunden einführt, ist nicht gerade ein Aushängeschild für Rot-Rot. Profit um jeden Preis ist unsozial und äußerst gefährlich, das müsste auch den Politikern der Linkspartei nicht neu sein. Gerade im sensiblen Gesundheitsbereich muss es daher heißen: Ohne Regeln geht es nicht.

Oberste Aufgabe des Staates ist es, das Wohlergehen und die Gesundheit seiner Bürger zu schützen - egal ob diese Bürger im Krankenbett liegen oder den Mülleimer im Krankenzimmer leeren. Seit den 1990er-Jahren wurden viele Kliniken oder Teilbereiche privatisiert. Das ist in Ordnung, wenn die Versorgungssicherheit und die Rechte der Mitarbeiter nicht ausgehöhlt werden. Dafür braucht es eine starke Aufsicht. Wo Berlin dazu nicht in der Lage ist, muss auf Wettbewerb verzichtet werden.

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