Hühnerhaltung: "Jedes Huhn hat ein DIN-A4-Blatt Platz"

Der Verhaltensforscher Detlef Fölsch fordert den kompletten Ausstieg aus der Käfighaltung. Er selbst würde hungerstreiken, wenn er Zeit hätte.

Vor dem Berliner Amtssitz von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) in der Wilhelmstraße sitzen seit vergangenem Mittwoch Tierschützer in einem kleinen Käfig im Hungerstreik. Sie protestieren mit ihrer Aktion gegen Seehofers Verordnung zur Kleingruppenhaltung von Hühnern in Käfigen. Auch anerkannte Wissenschaftler und Tierschutzexperten bezeichnen diese Haltungsform als Tierquälerei.

taz: Herr Fölsch, CSU-Landwirtschaftsminister Horst Seehofer präsentiert die neuen Kleingruppenkäfige als Lösung für die Käfighaltung von Hühnern. Was ist der Unterschied zwischen den alten und den neuen Käfigen?

Detlef Fölsch: Die alten Käfige bestehen aus Drahtgittern auf allen Seiten. Jedes Huhn hat den Platz von einem DIN-A4-Blatt, das erzeugt Kannibalismus. Die neuen Käfige sind genauso wenig artgerecht. Der Ruheplatz auf den Sitzstangen reicht nicht aus, die Vögel können keine Nester bauen, und die Grundfläche pro Huhn erhöht sich nur um die Größe eines Bierdeckels. Das ist Tierquälerei.

Warum hält Seehofer überhaupt an der Käfighaltung fest?

Hinter Seehofer steht wahrscheinlich eine Metalllobby der Stallbaufirmen, die am Ruder bleiben wollen. Dabei könnten diese Unternehmen auch durch den Bau von artgerechten Hühnerställen Geld verdienen.

Haben Sie schon mal überlegt, sich auch in einen Käfig vor das Landwirtschaftsministerium zu setzen?

Aus beruflichen Gründen habe ich dafür leider im Moment keine Zeit. Ich würde mich aber sofort an dem Hungerstreik und der Mahnwache im Käfig beteiligen. Ich finde es wichtig, zu zeigen, wie Hühner heute in Deutschland zu 85 Prozent leben. Die Öffentlichkeit muss erfahren, wie Hühner in den Käfigen wirklich empfinden.

Rheinland-Pfalz will keinerlei Käfighaltung mehr und klagt vor dem Bundesverfassungsgericht. Warum klagt nur Rheinland-Pfalz?

Ich freue mich über das Engagement von Kurt Beck in Rheinland-Pfalz. Noch besser wäre es allerdings, wenn auch unionsregierte Bundesländer wie Niedersachsen den Ausstieg aus der Käfighaltung unterstützen würden. In Niedersachsen sitzt allerdings die Masse der deutschen Hühnerproduzenten, daher stehen die Chancen hier schlecht.

Hat sich der Berliner Senat dazu positioniert?

Im Bundesland Berlin gibt es kaum Massentierhaltung, daher hätten wir von der Regierung eine Unterstützung im Kampf gegen Hühnerkäfige erwartet. Der Senat hätte nicht viel zu befürchten. Bisher habe ich allerdings noch keine Bereitschaft dazu in Berlin festgestellt.

Viele Supermärkte haben Käfigeier inzwischen aus ihrem Sortiment gestrichen. Kann sich der Verbraucher dort sicher sein, keine Käfighaltung zu unterstützen?

Die Verbannung von Käfigeiern durch Aldi und Plus reicht nicht aus. Für Backwaren und Nudeln werden tonnenweise Eier aus Käfighaltung verarbeitet. Deshalb fordern wir, dass die Herkunft von Vollei und Trockenei in diesen Produkten künftig ebenfalls deklariert wird.

Wie lebt ein glückliches Huhn, das kommerziell Frühstückseier legt?

Am besten ist die Freilandhaltung mit ausreichend Grünlandauslauf und Stallfläche.

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