Kommentar Schwache Opposition: Ohne Ideen und ohne Machtoptionen

Eine Große Koalition braucht eine starke Opposition. Doch davon sind Grüne und Linke weit entfernt. Schade, denn es müssten Systemfragen gestellt werden.

Ein höherer Mindestlohn könnte eine Forderung sein – nicht nur für „Herren“. Bild: dpa

Opposition ist Mist. Das hat Franz Müntefering 2004 festgestellt. Zehn Jahre später ist es für die Linken und Grünen noch schlimmer: Für die ist Opposition großer Mist, ganz großer sogar.

Beide Parteien teilen ein Grundsatzproblem: Große, identitätsstiftende Themen sind abgeräumt, bei den Grünen der Atomausstieg, bei den Linken die Rente mit 63 und der Mindestlohn. Was bleibt, ist ein inhaltliches Vakuum – und bei den Grünen die große, lähmende Angst, etwas falsch zu machen. Das wird die heutige Generaldebatte zum Bundeshaushalt einmal mehr belegen.

Dabei sind diese Leerstellen nicht nur inhaltliche: Beide haben ihren ersten großen Generationswechsel zu überleben. Die etablierten Führungsfiguren sind weg, und den neuen wird kaum Zeit gelassen, Fuß zu fassen. In diesem Punkt sind beide Parteien (noch) typisch links. So gerne man im eigenen Hause Revolution spielt, so schwer bis unmöglich haben es Nachrücker, mit dem klassischen Doublebind linker Strukturen klarzukommen: also dem Ruf nach klaren Hierarchien, Visionen und Durchsetzungskraft auf der einen, dem Anspruch, alle Flügel kompromissbereit und offenherzig einzubinden auf der anderen Seite.

Zwar müssen sich besonders die Grünen über begabten Nachwuchs am wenigsten Sorgen machen, da sieht es bei CDU und SPD schon schlechter aus. Schwerwiegender sind die fehlenden Machtoptionen. Jeder weiß, dass ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene nicht mehr ist als bloße Rhetorik. Das ist bitter, nicht nur für die Linkspartei, auch für die SPD.

Bloß nicht in die Mitte

Im Umkehrschluss heißt das, dass es neben einer weiteren Großen Koalition nur die eine Option gibt: Schwarz-Grün. Nun mag einiges für ein solches Bündnis sprechen. Aber alles spricht dagegen, sich darauf festzulegen. Demokratie funktioniert nur im Streiten um Positionen, nur, wenn darum gerungen wird, wie vermeintliche Paradoxien in Prozesse gewandelt und in politische Strategien münden können.

Dabei laufen die Grünen Gefahr, aus Fehlern falsche Schlüsse zu ziehen. Nur weil der Veggie-Day ein Kommunikationsdesaster war, heißt das nicht, dass die Grünen nur als Wohlfühl- und Verbraucherschutzpartei eine Zukunft haben. Es gibt genügend Themen von TTIP bis zur Flüchtlingspolitik, bei denen Systemfragen auch weiterhin gestellt werden müssen.

In der Mitte ist es verdammt eng. Und wer sich mit Merkel auf das Hase-Igel-Spiel einlässt, hat bisher noch immer verloren.

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Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)

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