Wohnen statt Verkehrserziehung: Mehr als ein Verkehrsgarten

Die Jugendverkehrsschule in Moabit wird zu wenig genutzt und kostet zu viel Geld. Der Bezirk Mitte will den Platz für Wohnungen nutzen. Anwohner protestieren.

Ein frostiges Stopp für die Jugendverkehrsschule in Moabit. Bild: dpa

Das Tauziehen um die Zukunft der Jugendverkehrsschule (JVS) in Moabit neigt sich dem Ende zu. Am Donnerstag legte Bezirksstadträtin für Jugend, Schule und Sport, Sabine Smentek (SPD), dem Schulausschuss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte das Infrastrukturkonzept für die Mobilitätserziehung vor. Das kommt zu dem Ergebnis, dass der Standort in der Bremer Straße verzichtbar ist.

Der geringen Nutzung stünden ein Investitionsbedarf von 337.000 Euro und jährliche Unterhaltskosten von 60.000 Euro gegenüber, was der Bezirk aufgrund seiner angespannten finanziellen Lage nicht aufbringen könne, heißt es zur Begründung.

Um die Verkehrserziehung zu gewährleisten, reiche der verbleibende Standort in der Gottschedstraße im Wedding aus, zumal entsprechende Unterrichtseinheiten auch auf den Freiflächen und im Umfeld der einzelnen Schulen und Kindertagesstätten stattfinden könnten.

In Jugendverkehrsschulen werden unter anderen Grundschüler auf die Fahrradprüfung vorbereitet. Derzeit befindet sich die Moabiter JSV in der Winterpause. Doch aus der wird sie wohl nicht mehr zurückkehren.

Das Bezirksamt Mitte hatte bereits im Frühjahr 2014 die Schließung der JVS und die Übergabe des Grundstücks an den Liegenschaftsfonds der Stadt beschlossen. Doch dagegen regte sich Widerstand. Viele BVV-Mitglieder fühlten sich übergangen und forderten eine Beschlussfassung durch das Bezirksparlament. Dies hatte das Bezirksamt zunächst für unnötig erachtet, sich aber später dazu bereit erklärt. Grundlage für die BVV-Entscheidung soll nun das Konzept zur Mobilitätserziehung sein.

Widerstand gegen die Schließung gibt es aber auch bei Anwohnern, Umwelt- und Verkehrsverbänden, die den Erhalt der JVS als geschützten Raum für das Erlernen angemessenen Verhaltens im Straßenverkehr für unverzichtbar erachten.

Doch der örtlichen Bürgerinitiative ist vor allem die geplante Nachnutzung des fast 6.000 Quadratmeter großen Areals ein Dorn im Auge. Dort soll die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gesobau bis zu 280 Wohnungen und eine Kindertagesstätte errichten.

Auf einer Diskussionsveranstaltung der SPD-Fraktion in der BVV Mitte am Mittwochabend warnten Vertreter der Initiative vor einem „Verlust an Lebensqualität“ und „sozialen Problemen“, wenn das Gelände bebaut werde. In einem hoch verdichteten Gebiet wie Moabit sei der Verlust einer Freifläche und ihres Baumbestandes nicht akzeptabel.

Die Bremer Straße taugt aber kaum als Beispiel für den von den Aktivisten behaupteten „Grünmangel“. Im Gegenteil: An der östlichen Straßenseite gibt es im gesamten Verlauf viele Grün- und Freizeitflächen, am südlichen Ende beginnt der neu gestaltete Ottopark. Und die JVS sei nur eine Art Zwischennutzung gewesen, sagte Sascha Schug, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion in Mitte, da das Areal bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bereits bebaut war. Angesichts des ungebremsten Zuzugs nach Berlin sei es unverzichtbar, landeseigene, erschlossene Grundstücke für den Bau von Wohnungen auch für Geringverdiener zu nutzen.

Dieser Interessenkonflikt ist beileibe keine „Moabiter Spezialität“. Es gibt in der Innenstadt kaum ein Neubauvorhaben, das nicht Proteste von Anrainern auslöst. Dabei wird oft auf vermeintlich geeignete Flächen in anderen Teilen Berlins verwiesen. Doch Schug gibt zu bedenken, dass die meisten ins Spiel gebrachten Grundstücke nicht im Landesbesitz seien oder sich aus infrastrukturellen Gründen nicht für Wohnungsbau eignen.

Die Bürgerinitiative will sich jedenfalls noch nicht geschlagen geben. Neben intensivem „Lobbying“ bei den Fraktionen in der BVV ist eine Demonstration für den Erhalt der JVS am 26. Februar geplant. Aus BVV-Kreisen ist allerdings zu vernehmen, dass mit einer deutlichen Mehrheit für die Schließung zu rechnen ist. Bislang haben nur die Piraten ihre eindeutige Ablehnung erklärt. Ein entsprechender Beschluss könnte noch im ersten Quartal gefällt werden.

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