Kairo bricht mit Damaskus

DIPLOMATIE In den Kaffeehäusern in der syrischen Hauptstadt kommt der Abbruch der Beziehungen überhaupt nicht gut an. Man fühlt sich regelrecht im Stich gelassen

„Das ist die Initiative der USA, der Mursi als Lakai blind folgt“

ASSAD-ANHÄNGER

AUS DAMASKUS MARTIN LEJEUNE

Ägypten hat nach den Worten von Präsident Mohammed Mursi die Beziehungen zur syrischen Regierung am Wochenende „endgültig“ abgebrochen. Die ägyptische Regierung habe beschlossen, die Beziehungen zum „aktuellen Regime“ in Syrien zu beenden, erklärte der Staatschef vor Tausenden Anhängern bei einer Konferenz zur „Unterstützung Syriens“ in einem Kairoer Fußballstadion. Die syrische Botschaft in Ägypten wurde geschlossen und der ägyptische Geschäftsträger aus Damaskus abgezogen.

Auf den Fernsehern in den Kaffeehäusern in der syrischen Hauptstadt Damaskus wurde Mursis Rede am frühen Samstagabend zur besten Sendezeit live übertragen. Ein entrüstetes Raunen ging etwa durch das Wasserpfeifencafé am Bab Touma im christlichen Viertel, als Mursi offiziell die Einstellung aller diplomatischen Beziehungen zu Syrien verkündete. „Du Schuft“, rief ein Mann Ende 40, als Mursi den Satz sagte: „Das ägyptische Volk unterstützt den Kampf des syrischen Volkes, materiell und moralisch.“ Das sei doch nicht Mursis Entscheidung, begründet der Mann, der sich als Anhänger des Präsidenten Baschar al-Assad zu erkennen gibt, seine Tirade. „Das ist die Initiative der USA, der Mursi als ihr Lakai nur blind folgt“, schimpft er.

In der Tat reagiert das regierungsnahe Lager sehr verstimmt über Mursis dramatische Entscheidung. Assads Anhänger halten Mursi vor, warum er nicht die Beziehungen mit Israel beende statt der Beziehungen zum arabischen Bruderstaat Syrien. Mursi wird in den syrischen Medien deshalb als Verräter an der arabischen Sache dargestellt.

Die Aufregung in Damaskus erklärt sich auch daraus, dass Syrien und Ägypten unter dem panarabischen Staatspräsidenten Gamal Abdel-Nasser einst ein gemeinsames Land waren. Nach einem Offiziersputsch 1961 spaltete sich Syrien von der Vereinigten Arabischen Republik wieder ab. Daher trifft Ägyptens Abwendung viele Syrer wohl tiefer, als sie es zugeben wollen.

Die islamistische Opposition innerhalb Syriens, die Mursi ohnehin unterstützt, da sie den Muslimbrüdern nahesteht, ist hingegen angetan von Mursis außenpolitischem Schwenk. Den fundamentalen Islamisten geht Mursis neuer Kurs jedoch nicht weit genug. Sie wollen, dass die ägyptischen Muslimbrüder und somit die Regierung in Kairo direkt die bewaffneten Aufständischen mit Militärgerät unterstützen. Die säkulare Opposition Syriens ist gegen Mursis Regierung und unterstützt die säkulare Opposition in Ägypten. Sie begrüßt im Allgemeinen zwar die Unterbrechung der Beziehungen, sieht dies aber nicht als Mursis Verdienst an. Mursi beteilige sich an der internationalen Isolation Syriens nur aus innenpolitischem Kalkül, heißt es. Mursi wolle so von innenpolitischen Problemen ablenken und auf internationaler Bühne mit seiner Isolationspolitik imponieren. Hunderttausende in Ägypten lebenden Syrer können nun ihre Pässe in der syrischen Botschaft in Kairo nicht mehr verlängern lassen. Sie leiden im Moment unmittelbar unter Mursis Isolationskurs.

Autorenhinweis zu Martin Lejeune: Ehemaliger freier Mitarbeiter, die taz hat 2014 die Zusammenarbeit beendet.