Technischer Defekt oder Terroranschlag?

Der Großbrand auf dem Istanbuler Flughafen am Mittwoch soll laut Polizei von einem Kurzschluss und einem Kabelbrand ausgelöst worden sein. Ein Bekennerschreiben der kurdischen „Freiheitsfalken“ wird als Propaganda abgetan oder ignoriert

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Rauchende Trümmer, drei durch eine Rauchvergiftung leicht Verletzte und einen Sachschaden in Millionenhöhe: So lautet die Bilanz des Großbrands auf dem Istanbuler Flughafen am Mittwochnachmittag. Nach ersten Untersuchungen der Polizei hat sich gestern der bereits am Mittwoch geäußerte Verdacht, dass das Feuer durch einen Kurzschluss und einen Kabelbrand verursacht wurde, erhärtet.

Sowohl der Polizeichef wie auch der Istanbuler Bürgermeister Kadir Topbas widersprachen den Behauptungen der kurdischen Terrorgruppe „Freiheitsfalken“, sie hätten das Feuer gelegt. In der Nacht zu Donnerstag hatten die „Freiheitsfalken“ sich per E-Mail bei der kurdischen Nachrichtenagentur ANS mit Sitz in den Niederlanden zu dem Anschlag bekannt. „Es spricht nichts für einen Terroranschlag“, sagte Topbas dem Nachrichtensender NTV, „die Untersuchungen zeigen eindeutig einen technischen Defekt als Ursache für den Ausbruch des Feuers“.

Dass sich das Feuer so schnell ausbreiten konnte, führen Verantwortliche des abgebrannten Frachtterminals darauf zurück, dass dort auch Chemikalien gelagert waren, die leicht entflammbar gewesen seien. Für mehr Aufregung sorgte, dass in den frühen Morgenstunden am Donnerstag Messwagen der Atomenergiebehörde an der Brandstelle auftauchten, weil eventuell Radioaktivität entwichen sein könnte. Außer Chemikalien seien in den Frachthallen auch nuklearmedizinische Sendungen gelagert gewesen, die ebenfalls verbrannt seien. Man habe prüfen müssen, ob und wie viel radioaktive Strahlung dadurch freigesetzt worden sei. Nach offiziellen Angaben besteht „kein Grund zur Besorgnis“.

Bei dem Brand am Mittwoch wurden zwei große Hallen im Frachtbereich des Flughafens vollkommen zerstört. Da diese Hallen von den Passagierterminals weit entfernt und direkt am entgegengesetzten Ende des Flughafens liegen, wurden keine Passagiere verletzt. Bereits gestern lief der Flugverkehr wieder normal.

Auffallend ist, dass das Bekennerschreiben der „Freiheitsfalken“, die für etliche Terroranschläge in Istanbul und anderen Städten der Westtürkei verantwortlich sind, in den türkischen Medien praktisch keine Rolle spielt. Das hängt einmal damit zusammen, dass die den Brand untersuchenden Sicherheitsleute alle von einem technischen Defekt ausgehen und das Bekenntnis der PKK-nahen „Freiheitsfalken“ deshalb als reine Propaganda betrachtet wird.

Zum anderen will man jedem Verdacht, es könnte doch ein Terroranschlag gewesen sein, entgegentreten, weil man sonst verheerende Auswirkungen für den Tourismus befürchtet. Touristen vom Besuch der Türkei abzuschrecken und dem Land damit ökonomisch zu schaden, ist das erklärte Ziel der kurdischen Separatistentruppe. Bislang haben sich die „Freiheitsfalken“ allein in diesem Jahr zu acht Bombenanschlägen in Istanbul bekannt, bei denen zwei Menschen getötet und 47 verletzt wurden.