Die Inspiration der Roten Teufel

Nach dem Ausscheiden kann Südkorea lediglich stolz darauf sein, das Konzept der Fanmeile erfunden zu haben

BERLIN taz ■ Jetzt können die „Roten Teufel“ zumindest nachts wieder schlafen. Denn was ein echter Fan der südkoreanischen Nationalmannschaft ist, der schlägt sich im roten Outfit die ganze Nacht um die Ohren, wenn wie am Samstagmorgen um vier Uhr Ortszeit das Spiel gegen die Schweiz angepfiffen wurde. Popkonzerte heizten die Stimmung an. In der Hauptstadt Seoul waren auch Kirchen die ganze Nacht geöffnet. Sie ermöglichten den Anhängern des Nationalteams, für ihr Team zu beten.

Doch das Beten half letztlich nichts. 700.000 Menschen, die auf dem Platz vor Seouls Rathaus das Spiel in Hannover auf Großleinwänden live verfolgten, sahen trotz eines südkoreanischen Sturmlaufs mit bis zu fünf Stürmern in der zweiten Halbzeit eine dramatische 0:2-Niederlage. Da zudem auch noch Frankreich gegen Togo siegte, kam Südkorea nicht über die Vorrunde hinaus. Bei der letzten WM 2002 war Südkorea als Ko-Gastgeberland noch überraschend Vierter geworden.

Umso größer ist jetzt die Enttäuschung im Land der Morgenstille. In ihrem ersten Frust machen viele südkoreanische Fans eine umstrittene Entscheidung des argentinischen Schiedsrichters Horacio Elizondo in der 77. Minute für die Niederlage verantwortlich. Der wollte trotz des erhobenen Fahne des Linienrichters keine Abseitsstellung des Schweizer Stürmers Alex Frei erkannt haben und wertete daher dessen Torschuss als zweiten Treffer.

Diese Entscheidung wird in koreanischen Internetforen heiß diskutiert. „Der Schiedsrichter, der die umstrittene Entscheidung fällte, hat Verwandte in der Schweiz. Es war offensichtlich eine parteiische Entscheidung“, empört sich eine Person im Forum der englischsprachigen Korea Times. Doch andere verlangen, erst einmal vor der eigenen Tür zu kehren. „Korea wurde wieder deklassiert und von seiner eigenen Arroganz geschlagen. Es gibt keinen Bedarf an Verschwörungstheorien – wir haben hier in Korea viel selbst verbockt“, schreibt ein Fan. Andere verweisen darauf, dass Südkorea bei der letzten WM nur gegen Portugal, Italien und Spanien hatte bestehen können, weil damals mehrfach umstrittene Schiedsrichterentscheidungen zu seinen Gunsten ausgefallen waren.

Auch Koreas niederländischer Trainer Dick Advocaat verbarg seine Enttäuschung über das Ausscheiden des Teams nicht. Er räumte aber ein, dass die Schweizer zumindest in der ersten Hälfte besser waren. Zudem habe Koreas Fußball ein Grundproblem: „Die koreanische Liga muss sich verbessern, damit sich das Nationaltem entwickeln kann“, so Advocaat. Sein Verbleib in Korea gilt als unwahrscheinlich. Der frühere holländische Nationalcoach war mit sehr großen Erwartungen konfrontiert, nachdem sein ebenfalls niederländischer Vorgänger in Südkorea, Guus Hiddink, das Team vor vier Jahren so weit gebracht hatte. Hiddink, der jetzt mit Australiens Team Schlagzeilen macht, wird in Korea wie ein Gott verehrt.

Ein kleiner Trost bleibt Südkorea, wie der Reporter Son Byung-ha im populären Nachrichtenportal Ohmynews schreibt: Die deutschen Fanfeste und Fanmeilen seien in Südkorea erfunden worden. Denn dort war 2002 der Platz vor Seouls Rathaus, einem hässlichen Bau in japanischer Kolonialarchitektur, für den Verkehr gesperrt und für öffentliche Übertragungen geöffnet worden. Das habe Franz Beckenbauer und das Organisationskomitee der jetzigen WM inspiriert. SVEN HANSEN