Pleitegriechen, wir kommen!
Liebe muss Krisen aushalten

URLAUB Seit den Tiraden der Boulevardpresse ist die deutsch-griechische Liebe abgekühlt. taz-Autoren erzählen, warum sie gerade jetzt hinreisen

Der Termin: Nächste Woche beginnen in sechs Bundesländern die Schulferien. In Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland werden zum Teil schon an diesem Wochenende die Koffer gepackt.

Das Ziel: Die griechischen Inseln sind eines der beliebtesten Reiseziele Europas. Jahr für Jahr konkurrieren die Hotels an der Küste mit der türkischen Riviera und der kroatischen Adriaküste um die meisten Sommergäste – und locken doch keineswegs bloß Horden von Pauschaltouristen an.

Das Problem: Griechenland fühlte sich im Rahmen der Euro-Krise von Deutschland und dessen Kanzlerin Merkel schlecht behandelt. Hinzu kamen Schläge unter die Gürtellinie, die von der deutschen Presse ausgeteilt wurden.

Die Lösung: Griechenland Gutes tun, indem man dort Urlaub macht. Das Land hat im vergangenen Jahr einen deutlichen Rückgang bei den Besucherzahlen hinnehmen müssen. 2009 reisten 6,4 Prozent weniger ausländische Besucher in das ganz schön krisengeschüttelte Land.

VON BERND SCHNEIDER

Nächste Woche geht unser Flieger nach Athen. Wir freuen uns wie jedes Jahr auf den Urlaub, auch diesmal, wo die Griechen möglicherweise nicht so gut auf uns Deutsche zu sprechen sein werden. Aber was soll’s, wir haben uns verliebt in dieses Land, und so eine Liebe muss auch mal eine Krise aushalten können, oder?

Dass wir so gern dorthin reisen, hat zwei Gründe: es ist warm und es ist preiswert. Ich sitze im Rollstuhl und bin, weil ich nur eingeschränkt beweglich bin, süchtig nach Wärme, die tut meinem Körper einfach gut. Außerdem ist es in Deutschland ziemlich teuer, ein behindertengerechtes Hotel oder Ferienhaus zu buchen. Hinzu kommt die Art der Leute. Die Griechen sind schön entspannt und nicht so perfektionistisch. Als gelernter DDR-Bürger freut mich das Improvisierte, mitunter etwas Unaufgeräumte.

Meine Freundin und ich überlegen ernsthaft, dort später mal zu leben. Diese Ecke auf dem Peleponnes ist großartig – noch. Die Erschließung, Zersiedelung nach südspanischem Modell, schreitet voran. Die Leute kriegen mit, dass sie das schnelle Geld machen könnten. In unserem Dorf hängt ein Schild: so ein Zipfel Olivenhain, 4.000 Quadratmeter für 40.000 Euro – so was hätten die Bauern früher unter sich ausgemacht. Jetzt warten sie auf die Investoren.

Dieses üble Griechenbashing der letzten Monate ging meiner Freundin und mir mächtig gegen den Strich. Das ist auch peinlich. Wir haben nun mal die EU, und da versteht es sich doch von selbst, dass den Griechen geholfen wird.

Zumal die Deutschen da eher still sein müssten. Als unser Land voll in die Wirtschaftskrise gerasselt ist, hat das Parlament beschlossen, einfach noch mehr Schulden zu machen. Und die Griechen sollen auf alles verzichten? Von so was hat bei uns 2008 kein Mensch geredet.

Bernd Schneider, 46, ist EU-Rentner und fliegt am Donnerstag

Im Herz das Gefühl von Freiheit

VON JULIA NIEMANN

Griechenland, dorthin bin ich schon immer gerne gereist. Dieses Jahr fahre ich mit einem Freund nach Kreta, noch eine Woche und ich tauche kopfüber ein ins Mittelmeer. Zwei Wochen lang Salzgeschmack auf den Lippen, Grillenzirpen im Ohr. Den Geruch von verdorrenden Pflanzen an staubigen Sandwegen, Olivenbäumen und gegrilltem Fisch in der Nase – und im Herz das Gefühl von Freiheit, wenn eine warme Brise die Armhärchen streichelt.

Aber nicht nur das: Ich sympathisiere mit einem Land, in dem der Bürger dem Staat die Stirn bieten kann und doch Teil eines großen Wir ist. Auch wenn dieses Wir überzogene Pensionen und Steuerverweigerung meint. Die Griechen sind sich treu geblieben und verharren in einer Basisdemokratie, in der das Wohl des Einzelnen über das Wohl des Staates geht. Beispielhaft! Wir können von den Griechen lernen, was es heißt, „ganz unten“ das zu tun, was sich bei uns nur „die da oben“ erlauben – vorausgesetzt, einer dieser Generalstreiks hält uns nicht davon ab, dorthin zu kommen. Und den Touristen, die gerade von Hafenarbeitern in Piräus davon abgehalten werden, die Fähren zu ihren Urlaubsinseln zu besteigen, sei gesagt: Nach Griechenland fahren, heißt, europäischen Ungehorsam zu studieren.

Außerdem sind wir der Meinung, dass wir unseren Euro-Solidaritätsanteil lieber direkt nach Athen tragen. Anstatt diese Transaktion den leider ein wenig unzuverlässigen Griechen im Zusammenspiel mit unseren unzuverlässigen Politikern und Banken zu überlassen, die dann auch noch das Geschäft mit der Kreditgarantie machen.

Ein bisschen Trotz und Häme fährt dennoch mit. Und zwar im Hinblick auf den abends freundlich servierten gegrillten Fisch. Denn auch ich musste schon schmerzlich erfahren: Wer das Geld nicht zusammenhalten kann, muss kellnern!

Julia Niemann, 37, ist taz.de-Redakteurin und fliegt am Dienstag

Verrostete linke Solireflexe

VON STEFAN REINECKE

Es war mir immer egal, Griechenland. Gruseliger Wein, uninteressantes Essen und das Mittelmeer ist in der Toskana und in Tel Aviv wirklich sehr schön. Dieser Zustand der Griechenlandlosigkeit war nicht feindlich, nicht freundlich, nur gleichgültig. Vermutlich wäre dies immer so geblieben ohne Bild-Zeitung. Dieses Organ hat durch eine ressentimenttriefende Kampagne, die an die finsterste Zeit der deutschen Presse anknüpfte, meine seit Jahrzehnten wetterfeste Griechenland-Ignoranz ruckartig beendet. „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen, und die Akropolis gleich mit!“, lautete noch eine der eleganteren Headlines. Der Grieche als Hallodri, der uns das Geld aus der Tasche zieht – man kennt diesen Text. Diese Hetze mobilisierte meine verrosteten linken Solireflexe. Also, im Dienste der Völkerverständigung: auf nach Athen.

Eine Kurzrecherche ergibt den Peleponnes als Ziel, weil sich dort Bildung (Olympia und Sparta in der Nähe) und ordinäres Faulenzen am Strand trefflich verbinden lassen. Womöglich mit der Bahn, weshalb ich im Internet nach einem Bahnfahrplan suche. Dort gibt es bekanntlich alles – außer einem griechischen Bahnfahrplan. Es hilft nur die Nachfrage beim griechischen Fremdenverkehrsamt in Frankfurt. Wie kommt man von Athen nach Kypariassia? Eine freundliche Dame erklärt, dass man leider keinen Bahnfahrplan habe. Ob es überhaupt einen gebe, wisse man leider nicht. Allerdings habe man einen Busfahrplan von April. Allerdings stimmen die Preise nicht mehr, weil wegen der Krise – Sie verstehen – alles teurer geworden ist. Die Abfahrzeiten haben sich auch geändert. Vielleicht aber auch nicht. Nach zwei Stunden Recherche steht fest: Es gibt Busse in Griechenland. Wahrscheinlich.

Vielleicht wäre die Oberpfalz doch die bessere Wahl gewesen. Man wird sehen. Wenn es übel wird, ist Bild schuld.

Stefan Reinecke, 51, ist taz-Autor und fliegt am Mittwoch