Stiften fürs Internet

Wie sieht kritischer Onlinejournalismus im 21. Jahrhundert aus? Das Portal openDemocracy probiert inhaltlich und ökonomisch ein neues Modell

Von Lewis Gropp

Am Anfang von openDemocracy stand Monty Pythons John Cleese. Dass ein Komödiant ein politisches Online-Magazin unterstützt, ist aber kein Grund zur Sorge: „John ist ein alter Freund von mir“, erklärt Anthony Barnett, Herausgeber und Mitbegründer von www.openDemocracy.com. „Er war von Anfang an von der Idee begeistert.“ Vor exakt fünf Jahren brachte Barnett mit einer Hand voll Mitstreitern das Projekt mit einer ambitionierten Agenda ans Netz. „Die traditionellen Medien sind zum Teil überhaupt nicht mehr in der Lage, sich mit den tief sitzenden ökonomischen und politischen Problemen der Gegenwart auseinanderzusetzen“, konstatiert der britische Journalist und ehemalige Aktivist. Der zunehmenden Tendenz, Medien als reflektionsfreie Meinungslenkungs-Maschinen zu instrumentalisieren, müsse man eine Gegenöffentlichkeit entgegenstellen. „Denn es ist doch so“, erklärt Barnett, „wenn es keine Hintergrundinformationen gibt, mit denen der Bürger in der Lage ist, eine eigenständige Meinung zu bilden, erodiert auch das demokratische Bewusstsein.“

Statt auf journalistische Schnellschüsse setzt openDemocracy überwiegend auf akademisches Know-how. In gewisser Weise ähnelt die Website so einem Think-Tank, der seine Ergebnisse indessen nicht an die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft vermittelt, sondern sie vielmehr journalistisch für eine kritisch interessierte Öffentlichkeit aufbereitet. Den nötigen Schub an Professionalität hat das idealistische Projekt von ihrer Chefredakteurin erfahren – Isabel Hilton brachte ihre langjährige Erfahrung ein, die sie bei britischen Medien wie dem Guardian oder der Financial Times und der BBC erworben hatte.

Mittlerweile entspricht der Publikationsrhythmus bei openDemocracy ungefähr dem einer Wochenzeitung. Neben politischen Analysten kommen auch Menschenrechtsaktivisten, Literaten und bildende Künstler zu Wort – oder zu Bild, wie jüngst die marokkanisch-französische Fotografin Yto Barrada mit ihrem dramatischen Bildzyklus zu den nordafrikanischen Mittelmeerflüchtlingen.

Unter kritischen Intellektuellen genießt das Magazin einen ausgezeichneten Ruf, und so war man auch in der Lage, Autoren wie Ian McEwan, Salman Rushdie oder auch den renommierten Nahostexperten Fred Halliday von der London School of Economics zu gewinnen. Letzterer zählt mittlerweile zum festen Autorenstamm; zuletzt erschien von ihm ein Bericht über sein Treffen mit Scheich Naim Kassem, dem stellvertretenden Hisbollah-Chef. „Für die Demokratie ist es unglaublich wichtig, auch die Positionen der Leute nachzuvollziehen, deren Auffassungen man nicht teilt“, erklärt Barnett.

Derzeit ist openDemocracy das wohl einzige Online-Magazin im Netz, das professionellen und unabhängigen Journalismus aus Mitteln von Stiftungsgeldern finanziert. Zu den insgesamt rund 20 Organisationen, die das Projekt unterstützen, zählen neben britischen und festlandeuropäischen auch die finanzmächtigen US-amerikanischen Stiftungen Ford und Rockefeller Foundation.

Obwohl das Projekt noch jung ist, werden immer wieder neue Pfade eingeschlagen. In Zusammenarbeit mit dem Club de Madrid – einer Organisation, deren führende Mitglieder ehemalige Staats- und Regierungschefs demokratischer Staaten sind – wurde jüngst eine Webseite gestartet, die sich damit beschäftigt, wie sich demokratische Systeme am wirkungsvollsten gegen die Gefahr des globalen Terrorismus schützen können. „Bisher haben wir noch für einen recht spezialisierten Kreis publiziert“, sagt David Hayes, der stellvertretende Chefredakteur. „Mittlerweile werden wir aber auch zunehmend von größeren Medien wahrgenommen und zitiert.“