„Reflexion der eigenen Rolle“

PERSONALFÜHRUNG Gute Führungskräfte müssen sich in ihre Mitarbeiter hineinversetzen können, sagt Personalberater Claus Nowak. Ein Gespräch über Motivation und Erfolg – und Fußball-Trainer Felix Magath

■ 61, ist Berater für Personalmanagement und lehrt an der Universität Hamburg. Er schreibt Bücher über Teamarbeit und Gesprächsführung.

INTERVIEW JOHANN LAUX

taz: Herr Nowak, Felix Magath ist ein erfolgreicher Fußball-Trainer. Doch viele Spieler hätten am liebsten nie unter ihm trainiert: Er gilt als wortkarger und machthungriger Schleifer, der Druck und Angst verbreitet. Ist Magath ein guter Chef?

Claus Nowak: (lacht) Man kann im Voraus nie sagen, ob eine Führungskraft Erfolg haben wird. Aber fragen, ob ihr Führungsstil kompatibel mit den Mitarbeitern und der Organisation ist. Und da war er nicht erfolgreich, denn Magath steht eher für Macht als für Commitment.

Was bedeutet Commitment?

Beziehungsorientiert zu arbeiten und sich die Zustimmung des Teams zu holen. Magath war nicht kompatibel mit der Kultur von Schalke 04, denn er ordnete alles dem Erfolg unter. Deswegen wurde er entlassen.

Muss eine Führungskraft nicht erfolgsorientiert sein?

Sie hat zwei Aufgaben: Ergebnisse zu produzieren und Gruppen zusammenzuhalten. Im Team müssen Menschen kooperieren können, denn auf dem Spielfeld ist die Mannschaft allein.

Wie motiviert man richtig?

Es gibt da einen alten Satz: Ich kann Menschen nicht motivieren, sondern ich kann ihnen nur Räume bieten, die eigene Motivation zu finden. Dafür brauchen sie Anerkennung, Erfolg, Weiterentwicklung, Gestaltungsräume und Zugehörigkeit.

Angenommen, Sie sind mein Chefredakteur und ich interessiere mich nicht für dies Interview. Wie motivieren Sie mich?

Ich würde Ihnen sagen, dass Sie dabei lernen können, Interviews zu führen und Menschen dazu zu bringen, sich zu öffnen. Ob sie nun übers Häkeln, über die Bankenkrise oder Führung reden, immer geht es darum, Menschen über Fragen in Kontakt mit sich selbst zu bringen.

Und? Gelingt es?

Durchaus, Sie haben mit Ihren Fragen einen Raum für mich eröffnet, ein Gespräch über ein mir wichtiges Thema zu führen und meine Kreativität angeregt.

Danke für die Rückmeldung.

Das ist es, was Menschen brauchen: ein klares, wertschätzendes Feedback. Menschen sind von sehr unterschiedlichen Dingen motiviert. Manche zum Beispiel schätzen Entscheidungsspielräume, andere haben Angst davor, zum Beispiel in Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung und Machtdistanz wie in vielen asiatischen Ländern. Dort ist die Führungskraft eher Elternfigur, der man folgt und die einem Orientierung geben soll.

Wie ist dies in Europa?

Unterschiedlich. Frankreich ist sehr hierarchisch, da wird in Besprechungen schnell gefragt, wer hier der Chef ist. In Deutschland sitzt man viel im Kreis, was oft Gleichheit suggeriert, die nicht wirklich existiert.

Die geborene Führungskraft ...

... gibt es nicht. Manche sind in der einen Organisation erfolgreich, in der anderen scheitern sie. Dabei bleiben sie ja derselbe Mensch. Deshalb sollte man sich über seinen Führungsstil und die Passung mit einer Organisation bewusst sein, siehe Magath.

Kann man Führung lernen?

Ich kann nicht aus schlechten Führungskräften gute machen, sondern nur aus guten bessere. Bestimmte Techniken der Kommunikation sind erlernbar. Führung bedeutet kontinuierliche Persönlichkeitsentwicklung. Entscheidend dafür ist die Fähigkeit zur Reflexion der eigenen Rolle und ob ich mich in die Menschen hineinversetze, die von mir abhängig sind. Der moderne Trend zur sogenannten charismatischen, authentischen Führungskraft, die die Leute mitreißt, ist aus meiner Sicht fragwürdig. Glaubwürdigkeit ist wichtiger, denn die wird von den Mitarbeitern und nicht vom Chef definiert. Und Glaubwürdigkeit geht vor allem mit Berechenbarkeit einher. Unberechenbarkeit mag zwar authentisch sein, sie schafft jedoch Verunsicherung, Anpassung und Ideenlosigkeit.

Welche Lernangebote gibt es?

Die sind vielfältig. Manche Unternehmen bieten In-House-Kurse an. Es kann aber sinnvoll sein, mich außerhalb fortzubilden, wo ich nicht auf meine Kollegen treffe. Und die Fähigkeit zur Selbstreflexion kann man auch zu Hause in der Familie lernen – sie wird es mir danken!

Woran merkt ein Angestellter, dass er schlecht geführt wird?

Sie merken es daran, dass die Dynamik fehlt, Neues auszuprobieren und für neue Probleme immer die alten Lösungen herhalten müssen. Die Frage ist dann, ob es gelingt, dies der Führungskraft zu vermitteln und ob diese bereit ist, sich damit auseinanderzusetzten.

Ist das nicht riskant?

Ja, aber welche Alternative habe ich? Dauerhaft kann ich nicht so arbeiten, ohne Schaden zu nehmen.

Ist gute Führung nicht ein Dilemma? Wollen gut motivierte Mitarbeiter meine Position?

Deswegen sollte es nicht nur Führungskarrieren geben. Gerade in Spezialisten-Organisationen werden Experten gebraucht, für die eine Führungsposition das Falsche wäre. Die Organisation wird dann doppelt geschädigt: Sie verliert eine gute Spezialistin und hat eine schlechte Führungskraft mehr. Daher mein Credo: Attraktive Fachkarrieren anbieten, für Spezialisten, die lieber tüfteln als führen.