Ausweg aus der Mohrenstraße

NAMENSSTREIT Mit einem Straßenfest werben Aktivisten für die Umbenennung der Mohrenstraße in Mitte. Viele Anwohner wollen den Namen dagegen behalten

Laut „Ausführungsvorschriften Benennung zu Paragraf 5 des Berliner Straßengesetzes“ sind Umbenennungen nur möglich:

■ zur Beseitigung von Doppel- oder Mehrfachbenennungen

■ bei sich von der Örtlichkeit her ableitenden Namen, bei denen kein Bezug mehr gegeben ist und die Beibehaltung eine Belastung der Anlieger darstellen würde

■ zur Beseitigung von Straßennamen aus der Zeit von 1933 bis 1945 mit Blick auf das Nazi-Regime und von 1945 bis 1989, sofern die Straßen nach aktiven Gegnern der Demokratie und zugleich geistig-politischen Wegbereitern und Verfechtern der stalinistischen Gewaltherrschaft, des DDR-Regimes und anderer kommunistischer Unrechtsregimes oder nach entsprechenden Orten, Sachen, Ereignissen, Organisationen oder Symbolen benannt wurden

■ aus der Zeit vor 1933, wenn diese nach heutigem Demokratieverständnis negativ belastet sind und die Beibehaltung nachhaltig dem Ansehen Berlins schaden würde.

VON STEFAN ALBERTI
UND FELIKS TODTMANN

In den seit Jahren währenden Streit über eine Umbenennung der Mohrenstraße in Mitte kommt Bewegung. In Bezirksamt und Bezirksparlament gibt es die Idee, den gleichnamigen U-Bahnhof zu einem Informationsort zur kolonialen Vergangenheit Berlins zu machen. Die BVG hält das für machbar. Kritiker des Straßennamens hingegen wollen am Samstag mit einem Straßenfest erneut eine Umbenennung fordern.

Protest kommt vor allem von Menschen schwarzer Hautfarbe, die sich durch den Begriff „Mohren“ diskriminiert fühlen. Ein Ziel des Straßenfestes sei es, mit AnwohnerInnen ins Gespräch zu kommen, sagt Tamino Böhm von der Aktionsgruppe M-Straße, die sich für eine Umbenennung einsetzt. Denn vor allem von Anwohnern ist zu hören, dass es ein historischer Name sei, der erhalten werden müsse.

„Die Mohrenstraße ist ein Zwitter“, sagt Sabine Weißler (Grüne), Kulturstadträtin des Bezirks Mitte. Zum einen sei da die koloniale Vergangenheit, „zum anderen gehört sie zu den ganz alten Straßen, die den Grundriss von Berlin markieren“. In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gilt weiterhin der 2005 gefasste Beschluss, eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus im öffentlichen Straßenbild zu befördern. „Und kritische Auseinandersetzung heißt nicht Umbenennung, auch wenn es das nicht ausschließt“, sagt Vera Morgenstern (SPD), die in der BVV die AG Geschichte leitet.

Aber was sagt sie Schwarzen, die sich diskriminiert fühlen und sagen, dass Weiße das nicht nachempfinden könnten? „Es gibt gewisse Befindlichkeiten, die zu respektieren sind“, sagt Morgenstern, „aber man muss auch die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten.“ Schließlich sei da etwa auch die Initiative Pro Mohrenstraße, hinter der Anwohner stünden. Die fordert die Fraktionen der BVV per Brief auf, „sich mit allen legalen Mitteln“ gegen eine Umbenennung zu wehren.

Die Initiative Pro Mohrenstraße spricht sich für Infotafeln zur Geschichte des Ortes aus. Die Bezeichnung Mohrenstraße sei nach heutigem Demokratieverständnis nicht negativ belastet, heißt es in dem Schreiben. Beide Punkte sind rechtliche Voraussetzung für eine Umbenennung (siehe Kasten).

Das sei absurd, sagt Joshua Kwesi Aikins von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland e. V. (ISD), ein Mitorganisator des Straßenfestes am Samstag. „Kolonialismus, Versklavung und Rassismus widersprechen klar der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung und schaden sehr wohl dem Ansehen Berlins“, so Aikins. Die Argumente der Umbenennungsgegner, der Name sei historisch gewachsen und die Bezeichnung Mohr nicht rassistisch, weist Aikins zurück.

Die ISD schlägt als neuen Namensgeber Anton Wilhelm Amo vor, der im 18. Jahrhundert versklavt, nach Europa verschleppt und später der erste dunkelhäutige Philosophieprofessor Deutschlands wurde. Als Alternative gilt Nelson-Mandela-Straße.

Die CDU-Fraktion lehnt das eindeutig ab, würde aber eine Dauerausstellung im U-Bahnhof unterstützen: „Damit hätten wir keine Probleme“, sagt Fraktionschef Heinz Kiske. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) als Hausherr ist ebenso offen. „Wenn der Bezirk das machen will, dann wird die BVG Wege finden, das sichtbar zu machen“, sagt Pressesprecherin Petra Reetz.

Beschlossene Sache der BVV ist zwar schon die Umbenennung der nach dem schwulenfeindlichen General benannten Einemstraße, die die Bezirksgrenze zu Tempelhof-Schöneberg kreuzt. Der Schöneberger Teil wurde 2013 umbenannt, der Abschnitt in Mitte sollte Anfang dieses Jahres folgen. Die Umbenennung ist aber wegen einer Anwohnerklage gestoppt.