Im Flur wird noch gebohrt

STUDIUM Die Wohnheime des Studentenwerks sind überfüllt, WG-Zimmer auf dem freien Markt heiß begehrt. Ganz leer muss aber niemand ausgehen – in Adlershof öffnet gerade ein neues „Studentendorf“ seine Türen

■ Wer sich nach einem freien Zimmer im Studentendorf Adlershof erkundigen möchte, findet unter studentendorf-berlin.de Informationen zu Zimmern und Ansprechpartnern. Oder einfach nach Adlershof fahren: Im weißen Container vor dem Wohnheim kümmert sich Carolin Cesian vom Studentendorf um die Vermietung.

■ Auf der Internetseite des Studentenwerks Berlin gibt es unter dem Menüpunkt „Wohnen“ alle Kontaktdaten zu den Wohnheimen und auch Angaben zu Alternativangeboten – etwa „Wohnen für Hilfe“. Dieses Projekt sieht vor, dass Studenten bei einem hilfsbedürftigen Menschen nur für die Nebenkosten wohnen können und dafür im Haushalt helfen – pro Quadratmeter Wohnraum eine Stunde im Monat.

■ Am 16. Oktober gibt es auf der Studentenmesse „Richtig starten“ unter anderem Informationsstände zum Thema günstiges Wohnen und eine Last-Minute-Wohnbörse. 11–17 Uhr, TU-Mensa, Hardenbergstraße 34. (abo)

VON ANNA BORDEL

Ein hoher Bauzaun umgibt das Areal, Container stehen herum, ein paar Bauarbeiter haben sich zur Mittagspause niedergelassen: Berlin neuestes Studentenwohnheim in Adlershof ist immer noch eine Baustelle. Darauf, dass schon erste Mieter in die Häuserblocks eingezogen sind, deutet nichts hin. Selbst die Arbeiter sind sich unsicher. „Hier wohnt noch keiner“, sagt einer, der einen Spiegel schleppt. „Doch, da oben links“, weiß ein anderer.

Oben links wohnt zum Beispiel Lisa, die erst vor wenigen Tagen aus Sachsen ins „Studentendorf Adlershof“ gezogen ist, um in Berlin ihren Bachelor in Berlin zu machen. Die 20-Jährige sieht aus wie eine, die in die Hauptstadt gekommen ist, um das Studentenleben zu genießen: kurze Haare, schwarze Leggins, neugieriger Blick. Auf ihr Wunschzimmer muss sie aber erst einmal warten. Die Zusage für Reha-Pädagogik kam erst im August, und eigentlich wollte sie in einem der günstigeren Wohnheime einziehen, die das Berliner Studentenwerk betreibt. Zwecklos: Die Wartezeit beträgt meist um die zwölf Monate.

Deshalb hat sie das Wohnheim in Adlershof angeschrieben, das von der Genossenschaft Studentendorf Schlachtensee betrieben wird und rund 40 Minuten vom Alexanderplatz entfernt liegt. Schon nach einem Tag kam eine positive Rückmeldung, zum 1. Oktober konnte Lisa ein kleines, möbliertes Zimmer mit eigenem Bad beziehen. Die Küche teilt sie sich mit anderen Bewohnern. 390 Euro Miete kostet sie ihr Anteil an der „Wohnlandschaft“, dazu musste sie unterschreiben, für mindestens elf Monate zu bleiben.

Die Einführungsveranstaltungen des Wintersemesters haben vergangene Woche angefangen. In diesem Semester kommen so viele Studenten wie nie zuvor nach Berlin. In den vergangenen Jahren ist die Zahl derer, die Studieren nach Berlin ziehen, stetig gestiegen – und alle brauchen ein Dach über dem Kopf.

Zum Waschen nach Hause

Aber noch hat Lisa die Küche fast für sich allein. Die Nachbarzimmer stehen leer, genau wie sechs von insgesamt zehn Häuserblocks – sie sind noch nicht bezugsfertig. Von draußen dröhnt der Baulärm herein. Der glatte Beton, aus dem Fußboden und Decke ihres Zimmers ist, gefällt Lisa nicht so gut. Das WLAN funktioniert nur sporadisch, und das auf der Website versprochene Fitnessstudio sowie die Waschräume sind noch nicht fertig. Dass das Wohnheim nur halbfertig sein würde, hat ihr vor dem Einzug niemand verraten. Um Wäsche zu waschen, fährt sie am Wochenende nach Hause.

Derzeit warten über 2.100 Studenten auf einen Platz in einem Wohnheim des Studentenwerks. Dessen Sprecher Jürgen Morgenstern schätzt, dass in diesem Semester etwa 1.800 von ihnen leer ausgehen werden. Um dem Andrang in den kommenden Jahren gerecht zu werden, baut das Studentenwerk derzeit ein neues Wohnheim im Wedding.

Aber viele Studenten wollen gar keinen Platz im Wohnheim, sie suchen ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft. Auch hier steigt die Nachfrage zu Semesterbeginn stark an: Pro Zimmerangebot auf dem Portal wg-gesucht.de melden sich im Schnitt 30 Leute. Wer ein Zimmer in beliebten Stadtteilen wie Neukölln oder Kreuzberg sucht, ist sogar einer unter Hunderten Bewerbern. Denn viele WGs, die ein Zimmer anzubieten haben, stellen dieses gar nicht mehr auf eine öffentliche Plattform im Netz, sondern posten das Angebot auf sozialen Netzwerken. Eine Chance haben so nur Freunde von Freunden.

Wirklich preiswert ist ein WG-Zimmer ohnehin nicht mehr. Nach Berechnungen von wg-gesucht.de kostet es mittlerweile im Schnitt 310 Euro, in der Innenstadt liegt der Preis noch mal deutlich höher. Zwar ist Berlin bei Weitem nicht so teuer wie München, Stuttgart oder Frankfurt am Main, günstig ist es aber auch längst nicht mehr. Das liegt daran, dass preisgünstige Wohnungen insgesamt immer knapper werden – und außerdem ist das WG-Leben auch unter Berufstätigen heute beliebt.

In einem anderen Häuserblock des Studentendorfs Adlershof sitzen Yun aus Südkorea und José aus Spanien mit Brot, Käse und Notebooks am Küchentisch. Dieser Teil ist schon etwas wohnlicher als Lisas, wäre da nicht das lärmende Bohren aus dem Flur. „Wir wohnen mitten in einer Baustelle“, sagt Yun, die erst seit einem Monat in Berlin ist. Für Austauschstudenten ist die Suche nach einem WG-Zimmer besonders schwierig. „Bitte keine Erasmusstudenten“, steht häufig in Zimmerangeboten. Auch wer Erstsemestler oder gerade nach Berlin gewechselt ist, hat schlechtere Karten für ein WG-Zimmer: Die Mitbewohner wollen, dass ihr neuer Mieter lange bleibt und sich am besten schon auskennt.

Lisa lässt sich jetzt auf die Warteliste für einen Platz in einem der Wohnheim des Studentenwerks setzen. Damit sie es sich doch noch überlegt und lieber auf Dauer in Adlershof bleibt, müsste sich hier noch einiges zum Besseren wenden.