UMBENENNUNGSWAHN IM SINNE DER GESCHICHTSINTERPRETATION
: Elvis in Budapest

VON RALF LEONHARD

NEBENSACHEN AUS WIEN

Jede Regierung will sich in Denkmälern verewigen. So konnte es nicht ausbleiben, dass auch István Tarlós, der seit Oktober als Oberbürgermeister über Budapest herrscht, seine Duftmarken hinterlässt. Getreu der Linie der rechtspopulistischen Fidesz von Premier Viktor Orbán setzt er auf starke Symbole.

Nicht weniger als 26 Plätze in der ungarischen Hauptstadt wurden oder werden umbenannt, was den Herstellern von Stadtplänen saftige Aufträge einbringen, den Budapestern aber Orientierungsprobleme bereiten wird. Der zentrale Platz der Republik heißt jetzt nach dem jüngst selig gesprochenen Papst Johannes Paul II. Das ist konsequent, denn in der neuen Verfassung, die Orbán sich auf den Leib schneidern ließ, heißt das Land nicht mehr Republik, sondern nur mehr Ungarn.

Karol Wojtyla, so die herrschende ungarische Geschichtsinterpretation, hat vor mehr als zwei Jahrzehnten gemeinsam mit dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan (1981–1989) den Kommunismus besiegt. Reagan bekommt nicht nur einen Kreisverkehr, sondern auch ein Denkmal, das auf dem Freiheitsplatz aufgestellt wird. Die überlebensgroße Statue wird dort auf den Obelisken zusteuern, der zu Ehren der Roten Armee für die Befreiung vom Faschismus errichtet wurde. Der Freiheitsplatz wird aber nicht mehr lange so heißen. Er wird für Franklin D. Roosevelt gebraucht, gegen dessen Streichung aus dem Straßenverzeichnis seine 84-jährige Enkelin erfolgreich protestierte. Der bisher nach dem US-Präsidenten (1933–1945) benannte Platz vor der berühmten Kettenbrücke wird für Graf István Széchenyi (1791–1860) gebraucht, der als „größter Ungar“ gilt.

Auch der Moszkva tér (Moskauplatz), ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, soll einen neuen Namen bekommen. Zu sehr wird die russische Hauptstadt offenbar mit der langen stalinistischen Gängelung in Verbindung gebracht. Geehrt werden Helden des niedergeschlagenen antisowjetischen Aufstands von 1956, allen voran Elvis Presley. Der Name des King of Rock ’n’ Roll wird künftig eine bisher namenslose, verkehrsreiche Straßenkreuzung schmücken. Auch ein Denkmal will ihm Tarlós errichten lassen. Elvis, so die Begründung, habe sich „mit ganzem Herzen“ für die Aufständischen eingesetzt. Das gehe aus einer Aufnahme hervor, auf der er seine Landsleute auffordert, Lebensmittelpakete nach Ungarn zu schicken.