Autonomer Hausbesuch

KREUZBERG Flüchtlingsunterstützer knöpfen sich umstrittene Bürgermeisterin vor – bei ihr zu Hause

„Das ist ein Eingeständnis des Versagens der Szene“

GRÜNEN-POLITIKERIN HERRMANN

BERLIN taz | Umzugskartons stapeln sich vor ihrer Wohnungstür. Im Treppenhaus hängen Fotos, darauf zu sehen: überfüllte Boote mit Flüchtlingen. An einer Flurwand steht der Schriftzug „Frohes Fest!“. Mit einem Hausbesuch bei der umstrittenen Berliner Grünen-Politikerin Monika Herrmann haben Unbekannte am Wochenende versucht, die inzwischen bundesweit bekannte Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg einzuschüchtern.

In einem Schreiben auf dem linken Szeneportal „Indymedia Linksunten“ bekannte sich eine „Autonome Zelle Umzug“ zu dem Hausbesuch. Darin werfen die „radikalen Kapitalismus-Kritiker“ der Politikerin Fehler im Umgang mit Flüchtlingen vor.

Der Zwischenfall markiert einen neuen Höhepunkt in einem seit Monaten währenden Konflikt um eine von Flüchtlingen besetzte Schule im Stadtteil Kreuzberg. Insbesondere die Boulevardpresse sowie der Berliner CDU-Innensenator Frank Henkel, aber auch erzürnte Anwohner fordern ein rasches Ende der Besetzung und ein hartes Durchgreifen seitens des Bezirksamts. Die Flüchtlinge, Anti-Rassismus-Initiativen und solidarische Anwohner fordern dagegen einen toleranten Umgang mit den Besetzern, die auf die mangelhafte Unterstützung in Deutschland aufmerksam machen und sich auf politischem Weg ein dauerhaftes Bleiberecht erkämpfen wollen.

Bezirksbürgermeisterin Herrmann wird von beiden Seiten kritisiert: Sie hatte die Flüchtlinge in der Schule zunächst geduldet, im Juni dann aber doch zum Auszug aufgefordert. 40 Männer und Frauen weigerten sich trotz eines massiven Polizeieinsatzes zu gehen, sie wohnen noch immer dort. Herrmann hatte im Sommer aufgrund von Morddrohungen zeitweise ihre Wohnung verlassen müssen und war nur unter Polizeischutz im Bezirk unterwegs.

Nach dem Hausbesuch sagte Monika Herrmann am Montag der taz, sie habe in der Vergangenheit selbst harte Auseinandersetzungen nicht gescheut. „Ein derartiger Eingriff in die Privatsphäre ist aber absolut inakzeptabel. Das geht zu weit.“ Sie wertete die Aktion als ein „Eingeständnis des Versagens der Szene“. Der sei es in den letzten zwei Jahren nicht gelungen, eigene Vorschläge zu formulieren. Weder sei ein Verein gegründet worden noch gebe es Stiftungen, die selbstverwaltete Flüchtlingsprojekte unterstützten. Ob sie nun wieder unter Polizeischutz steht oder zeitweilig woanders unterkommen wird, ließ Herrmann offen. M. KAUL, A. LANG-LENDORFF