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Seine Forschung fokussiert sich zu sehr auf die Vertreibung der Deutschen

Jetzt musste Manfred Kittel also doch gehen: Der Direktor der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ist mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden, entschied der Stiftungsrat Anfang dieser Woche.

Diskutiert wurde sein Rücktritt schon im November, nachdem es Ärger um eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin gegeben hatte. Kittel hatte für das Museum eine Ausstellung über Vertreibungen im 20. Jahrhundert angekauft. Drei Tage vor der Eröffnung musste jedoch ausgerechnet der Teil über die deutschen Vertriebenen entfernt werden – wegen übertriebener Opferzahlen, falsch zugeordneter Fotos und eines „fehlenden Kontextes“. Holocaust und Zweiter Weltkrieg kamen kaum vor.

Aus dem Konflikt im November zog Kittel wohl eine Lehre, die jetzt zu seiner Entlassung führte. Um eine erneute Einmischung zu umgehen, verzichtete er einfach auf Absprachen mit dem Wissenschaftlichen Beraterkreis. Ohne sich mit diesem Teil der Stiftung zu besprechen, übernahm er eine Ausstellung, die hauptsächlich die wechselseitige Vertreibung von Griechen und Türken 1923 thematisierte. Die Stiftung wurde vor vollendete Tatsachen gestellt.

Seine Mitarbeiter hatten sich außerdem darüber beschwert, dass Manfred Kittel einen nationalkonservativen Kurs ohne Rücksicht auf Verluste gefahren sei. Seine wissenschaftliche Arbeit fokussiere sich zu sehr auf die Vertreibung der Deutschen. Statt sich in der internationalen Museums- und Gedenkstättenszene zu vernetzen, habe er lieber den Fachmann für deutsche Vertriebenenblätter gegeben. Dem 52-jährigen Historiker war schon früher ein ambivalentes Verhältnis zu Krieg und Vertreibung vorgeworfen worden. In seiner Dissertation bewertete Kittel den Umgang mit der Vergangenheit nach 1945 noch als ganz löblich, beklagte aber einige Jahre später eine zweite „geistige Vertreibung der Vertriebenen“ nach 1945.

Dem Stiftungsrat reichte es jetzt offenbar. In seiner turnusgemäßen Sitzung am Montag beschloss er das Ende von Kittels Amtszeit nach fünf Jahren. In der offiziellen Mitteilung steht, das vertrauensvolle Zusammenwirken beider Gremien, des Stiftungsrates und des Wissenschaftlichen Beraterkreises, bleibe auch in Zukunft „unerlässlich“. Das kann man auch als Erklärungsversuch interpretieren: Mit Kittel war genau das nicht mehr gegeben. LAURA BACKES