„Miliz von hier aus geführt“

VORTRAG Die Uni-Reihe zu Postkolonialismus, Genozid und Gewalt geht in eine neue Runde

■ 48, ist Auslandschef der taz, Verfasser dreier Afrika-Bücher und Betreiber des Blogs „Kongo-Echo“ (blogs.taz.de/kongo-echo).

taz: Herr Johnson, was hat Deutschland mit dem Völkermord in Ruanda und der Hutu-Miliz FDLR zu tun?

Dominic Johnson: Ruanda war vor dem Ersten Weltkrieg deutsches Kolonialgebiet, nach der Unabhängigkeit gab es weiterhin enge Beziehungen und bis heute existiert eine Partnerschaft zwischen Ruanda und Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus stehen in Deutschland zwei Ruander vor Gericht, weil sie die im Kongo aktive Terrormiliz FDLR – Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas – führen. Dass diese Miliz von Deutschland aus geführt wurde, ist hier kaum bekannt, es ist aber ein gutes Beispiel für die enge Verknüpfung der beiden Länder.

Drei FDLR-Unterstützer sind trotz Schuldspruchs im Dezember einer Haftstrafe entronnen. Schützt Deutschland bewusst Kriegsverbrecher?

Nein, das Gericht in Düsseldorf erklärte die FDLR explizit zur „terroristischen Vereinigung“. Und der Prozess gegen die Führung der Gruppe läuft in Stuttgart weiter. Vor einem Jahr wurde außerdem in Frankfurt ein ehemaliger ruandischer Bürgermeister wegen Beihilfe zum Völkermord vor 20 Jahren verurteilt. Deutschland befasst sich erst seit Kurzem damit, was in Ruanda geschah oder zurzeit geschieht.

Was will die FDLR erreichen?

Die FDLR will als Verband von Hutu-Soldaten Ruanda zurückerobern, nachdem sie es vor 20 Jahren gegen die Tutsi-Rebellen verloren hatten, die das Land bis heute regieren.

Wie mächtig ist die Bewegung außerhalb Ruandas?

Sie ist mit mehreren tausend Kämpfern im Kongo basiert und soll von der Armee und der UNO-Mission bekämpft werden. Da sie als mobile Guerilla unterwegs ist, ist sie schwer zu fassen. Trotzdem ist sie schon deutlich kleiner geworden, was mit der Ausschaltung der politischen Führung durch das Strafverfahren in Stuttgart zusammenhängt.

Die UNO-Mission hat der FDLR ein Ultimatum gesetzt, bis wann sie die Waffen niederzulegen hat. Als diese jedoch nicht reagierte, folgten keine Konsequenzen. Warum nicht?

Die UNO weiß auch nicht, was sie machen soll. Die FDLR steht im Kongo in einem riesigen Gebiet inmitten von Urwald und Bergen. Da kommt man nicht so leicht ran. Und wenn die örtliche Regierung nicht kooperiert, sind der UNO die Hände gebunden. INTERVIEW: SARAH MAHLBERG

„Im Schatten des Völkermords. Deutschland, Ruanda und die Hutu-Miliz FDLR“: 18 Uhr, Uni, Von-Melle-Park 6, Hörsaal C