„Vorgehen skandalisieren“

URTEIL Neupack will ihren Betriebsratschef loswerden und der wehrt sich vor Gericht

■ 38, ist seit 2010 Gewerkschaftssekretär der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.

taz: Herr Pientka, wie oft hat die Firma Neupack ihrem Betriebsrat Murat Günes gekündigt?

Rajko Pientka: Das kommt ein bisschen darauf an, wie man zählt. Wir von der Gewerkschaft Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, bei der sich auch Murat Günes engagiert, zählen sieben bis acht Kündigungen seit dem Ende des Streiks für bessere Arbeitsbedingungen im September. Unterscheidet man nicht zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung, ist es die 14. Kündigung.

Was wird ihm vorgeworfen?

Günes hat dem Neupack-Geschäftsführer in einem Interview vorgeworfen, am ersten Tag unseres langen Streiks eine Mitarbeiterin geschlagen zu haben. Die Geschäftsführung wirft ihm vor, dies entspräche nicht der Wahrheit. Außerdem vermutet sie, Günes habe sich eine Arbeitsunfähigkeit erschlichen, indem er sich krankschreiben ließ, obwohl er gar nicht krank war.

Und was denken Sie, was wirklich dahintersteckt?

Darüber kann man nur spekulieren. Wir vermuten, dass der Grund in Günes’ gewerkschaftspolitischem und betriebsrätlichem Engagement liegt.

Heute soll entschieden werden, ob die Kündigungen rechtens waren. Wieso wurde das Urteil bereits einmal verschoben?

Das lag am Gericht. Oder an der Post. Die Zeugen, die zu dem Sachverhalt aussagen sollten, wurden jedenfalls nicht rechtzeitig geladen.

Wie soll es nach dem Urteil weitergehen?

Wir werden auf jeden Fall alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen, um zu verhindern, dass Günes aus dem Unternehmen gedrängt wird. Wir werden auch wieder verstärkt an die Öffentlichkeit gehen und das Vorgehen von Neupack skandalisieren. Nicht zuletzt werden wir die Firma pausenlos dazu auffordern, die Praktiken, die sie momentan anwendet, um unliebsame Mitarbeiter loszuwerden, zu unterlassen. Dies sind die Möglichkeiten, die wir haben, und die werden wir auch zu nutzen wissen.

Will man in so einem Arbeitsklima überhaupt noch weiter für Neupack arbeiten?

Es geht hier um etwas sehr Prinzipielles: Kann man auf der Basis der Rechte und Gesetze in Deutschland die Interessen der Beschäftigten vertreten? Hierin liegt die Motivation, auch für die eigene Person belastende Situationen durchstehen zu können. Für Außenstehende ist das nicht immer nachvollziehbar.

INTERVIEW: SARAH MAHLBERG

Verhandlung: 11 Uhr, Arbeitsgericht, Osterbekstraße 96