ORTSTERMIN: IM VERWERTUNGSPARCOURS
: Im nächsten Leben Parkbank

Vor dem Eingang des Recyclinghofs neben dem Hamburger Dom parkt ein lädierter, regendurchnässter Kinderwagen. Anstelle eines Babys liegt eine leere Schnapsflasche darin. Ein kleines Stück entfernt hängt ein Schild mit der Aufschrift: „Abladen von Haus- und Sperrmüll verboten“.

Auf dem Hof müssen sich die Autofahrer erst rechts halten, dann kommt eine Linkskurve und dann die Container: „Restmüll“, „Altholz“, „Sperrmüll“, „Altpapier und Pappe“, „Grünabfälle“, „Leichtverpackungen“, „Elektroschrott Kühl & Klima“ und so weiter. Kurze Wege rentieren sich, denn der Abfall ist in der Regel sperrig. Darauf ist ein Recyclinghof spezialisiert. Seinen alten Kühlschrank kann man hier ebenso abgeben wie ausrangierte Sofas, den Fernseher nach dem Kurzschluss oder kaputte Leuchtstoffröhren. Alles kommt in den passenden Container und wird zu größtmöglichen Teilen wiederverwertet. Zahlen muss man in der Regel nicht dafür. Nur Müll, dessen Verarbeitung später teuer wird, wie Bauschutt, Grünabfälle und Restmüll kostet Geld.

Manche Besucher wissen genau, wo sie hinmüssen, andere fragen noch mal nach oder stehen einfach so lange hilflos mit ihrer Stehlampe auf dem Platz herum, bis ein Mitarbeiter der Stadtreinigung sich erbarmt und weiterhilft.

Die Mitarbeiter sind in Leuchtstoffkleidung mit Reflektoren gekleidet, um zwischen den Autos besser gesehen zu werden. Mir wird auch gleich eine orangefarbene Weste in die Hand gedrückt, „Nur zur Sicherheit“, sagt Jens Junge, der den Recyclinghof beaufsichtigt. Sicherheit scheint bei der Stadtreinigung wichtig zu sein, überall hängen Warnschilder, die voneinander ablenken: „Den Anweisungen des Personals ist Folge zu leisten“, „Vorsicht vor Splittern“, „Nicht in die Presse steigen“, in der Art.

Tatsächlich bin ich mit der Weste bestens zu sehen. Nur glauben die Besucher nun, ich würde zur Stadtreinigung gehören und steuern hoffnungsvoll auf mich zu, einer mit Bügeleisen und einer mit Staubsauger. Ich verweise an den Kollegen Jens, letztendlich landen beide Teile im Container für Elektrokleingeräte.

Der hier deponierte Müll wird komplett wiederverwertet. Alles wird geschreddert, dann werden die edelmetallenen Bestandteile entnommen und separat weiterverarbeitet. Das Plastik wird eingeschmolzen. Wenn alles gut geht, führt es irgendwann ein zweites Leben als Parkbank.

Besonders gut erhaltene Stücke werden nicht zerstört. Die gehen an Stilbruch, ein Tochterunternehmen der Hamburger Stadtreinigung, welches sie seinerseits für kleines Geld weiterverkauft. Das Bügeleisen schafft es jedoch nicht dorthin, da seine Spitze abgebrochen ist. Der Staubsauger hat seinen Schlauch verloren, ist komplett kaputt und daher auch ungeeignet. Ein DVD-Player mit geringen Gebrauchsspuren wird jedoch beiseitegelegt.

Währenddessen füllt sich der Recyclinghof zunehmend mit Besuchern. Auch ein Taxi umkurvt die Container im Zentrum des Platzes und hält vor der Sperrmüllpresse. Der Fahrer springt aus dem Wagen, öffnet die Hintertür, holt einen Teppich nach dem anderen aus dem Auto und wirft ihn in den Container. Einer der wenigen Fußgänger auf dem Platz, ein älterer Herr, schiebt seinen Hometrainer in den Altmetallcontainer. Ein Mann hebt eine Tür aus dem Anhänger und bugsiert sie in die Altholzpresse. Lautes Gerumpel, ein Rattern und die Tür verschwindet langsam im Inneren der Presse. Das geraspelte Holz soll später zu Schreibpapier verarbeitet werden.

Eine Frau möchte wissen, wo sie ihren alten Laptop abstellen soll. „Dort hinten bei den TV-Geräten und Monitoren“, sagt Junge. „Gerade bei Laptops muss man auf die korrekte Entsorgung achten. Da könnten ja beispielsweise noch Bilder drauf sein. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Stadtreinigung den deutschlandweiten Richtlinien folgt.“

Und die sind ziemlich streng. Bei einem Kontrollblick in die Müllpresse ist eine Schutzbrille zu tragen, es wird zwischen fünf Sorten von Elektroschrott unterschieden, und die Arbeiter müssen sich in regelmäßigen Abständen Schulungen zum richtigen Verhalten im Ernstfall unterziehen. Was ist beispielsweise zu tun, wenn jemand in die Presse fällt oder wenn irgendwo eine ätzende, hochgiftige Flüssigkeit austritt?

Neben dem Transporter eines Obst- und Gemüsegroßhandels schwankt ein Mann unter der Last eines Sessels. Zum Sperrmüllcontainer ist vor lauter Autos kein Durchkommen. Ein Mitarbeiter verweist ihn zum Restmülldepot, das ist näher. So streng geht es hier wohl doch nicht zu.  SARAH MAHLBERG