Namibias Wahlen „verwirrt und vermurkst“

Wahlbeteiligungen von bis zu 143 Prozent, verlorene Stimmzettel und andere Merkwürdigkeiten: Warum Namibias Opposition gegen die Parlamentswahlen vom November klagt, die die regierende Swapo mit 75 Prozent gewann

WINDHOEK taz ■ Die Wogen der Begeisterung schlugen hoch bei den Anhängern der namibischen Regierungspartei Swapo (South West African People’s Organisation), als Ende November nach tagelangem Auszählen endlich die Ergebnisse der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen bekannt gegeben wurden: Die Swapo schaffte es, ihre Parlamentsmehrheit von über 75 Prozent zu behaupten, und auch ihr Präsidentschaftskandidat, der wenig charismatische Landminister Hifikepunye Pohamba, erreichte eine Dreiviertelmehrheit.

Doch inzwischen sind mehr und mehr Anhaltspunkte erheblicher Unregelmäßigkeiten aufgetaucht, und die Oppositionsparteien „Kongress der Demokraten“ (CoD) und „Republikanische Partei“ (RP) erwirkten eine Gerichtsentscheidung, die ihnen Einsicht in zahlreiche Wahlunterlagen verschaffte. „Unsere schlimmsten Befürchtungen wurden noch übertroffen“, sagte RP-Generalsekretärin Carola Engelbrecht, nachdem ein Team der beiden Parteien unter dem Druck einer Frist für eine Klageerhebung rund 80.000 Fotokopien von Wahlunterlagen angefertigt und stichprobenweise ausgewertet hatte. Was an Fehlern und Unregelmäßigkeiten zu Tage kam, war von solchem Gewicht, dass die beiden Parteien beim obersten Gericht beantragten, die Parlamentswahl für null und nichtig zu erklären. Die festgestellten Unregelmäßigkeiten hätten solche Ausmaße, „dass nach den Bestimmungen des Wahlgesetzes nicht eine Wahl, sondern ein verwirrter und vermurkster Versuch stattgefunden hat, der in keinerlei demokratischem Land durchgehen kann“, so RP-Generalsekretärin Engelbrecht in ihrer eidesstattlichen Erklärung.

Die beiden Oppositionsparteien hegen bei der amtlich genannten Zahl von insgesamt rund 820.000 abgegebenen Stimmen den Verdacht, dass Wahlurnen von „skrupellosen Personen“ mit Stimmzetteln „gestopft“ worden sein könnten. Denn bei der Anzahl der Wahllokale sei es bei einem Wahlprozess von mindestens drei bis fünf Minuten pro Person (einschließlich der Markierung des Daumens mit nicht abwaschbarer Tinte) rein zeitlich gar nicht möglich, dass so viele Wähler an den zwei Wahltagen ihre Stimme abgeben konnten. In zehn Wahlkreisen wurden mehr Stimmen abgegeben, als dort überhaupt Wähler registriert sind. So wurde für den Wahlkreis Windhoek Ost eine Stimmabgabe von 143 Prozent ermittelt.

Im Wahlbezirk Walvis Bay Land gingen 60 Prozent der abgegebenen Stimmen verloren, in Anamulenge in der Region Omusati wurden die angegebenen Stimmen gleich viermal berechnet. Bei etwa 105.000 Stimmzetteln, die an Wahlbezirke und Wahllokale verschickt wurden, fehlt die nötige Bestätigung durch Unterschriften, so die Klage weiter. Bei über 60.000 abgegebenen Stimmen geben die Unterlagen der Wahlbeamten keinen Aufschluss, in welchem Wahlbezirk oder Wahllokal die Stimmen abgegeben wurden. Genauere Angaben über Stimmen, die Wahlberechtigte außerhalb ihres Wohnorts abgaben, fehlen. Doch bekannt ist, dass 30 Prozent sämtlicher Stimmen als solche so genannten tendered ballots abgegeben wurden, ein auffällig hoher Anteil.

Am 7. Februar wird das oberste Gericht in Windhoek über die Klage der beiden Oppositionsparteien entscheiden. Für den Fall, dass das Gericht die Wahlen nicht für ungültig erklären sollte, verlangt die Opposition zumindest eine Neuauszählung der Stimmen. Die Aufteilung der Parlamentssitze könnte sich dadurch durchaus verändern. Die Wahl des neuen Staatspräsidenten Pohamba fechten die Oppositionsparteien hingegen nicht an, weil dieser ohnehin gewonnen hätte. Die Aufteilung der Parlamentssitze könnte sich dadurch allerdings verändern.ROLF-HENNING HINTZE