Zornige Spekulanten, coole Manager

■ Vulkan-Aktionäre wetterten über, aber stimmten für gigantische Kapitalerhöhung / Votum für „Systemtechnik Nord“

Bei den Aktionärsversammlun gen des Bremer Vulkan geht es demokratisch zu, wenigstens auf den ersten Blick. Da dürfen kleine Aktionäre Fragen über Fragen stellen. Vorstandssprecher Friedrich Hennemann tritt dann ans Rednerpult, die Hand voller Zettel, und beantwortet sie fein säuberlich der Reihe nach. Und wenn ein Aktionär nicht weiß, wie eine Kapitalerhöhung funktioniert, dann erklärt Aufsichtsratsvorsitzender Scheider das nochmal von vorne und für alle: „Ich möchte, daß es hier möglichst transparent zugeht“. Dankbarer Beifall.

Möglichst. Transparent wurde auch gestern nicht, wem der Vulkan gehört. Bei dieser Aktionärsversammlung war nur rund ein Viertel des Kapitals vertreten. Dabei ging es um eine brisante Entscheidung: Soll der Bremer Vulkan sein Kapital durch die Ausgabe neuer Aktien erhöhen, damit er sich an der „Systemtech

nik Nord“ beteiligen kann? Doch der anonyme Großaktionär blieb in der Kulisse.

Zur Erinnerung: Die Systemtechnik Nord ist quasi ein Abfallprodukt der Elefantenhochzeit von Daimler und MBB. Bundeswirtschaftsminister Haussmann hatte für dieses Fusion zu Bedingung gemacht, daß die Bereiche „Marine- und Sondertechnik“ der beiden Hochzeiter aus dem neuen Giganten ausgegliedert werden. Doch wohin damit? Nach Konsultationen mit Industrie und Banken hatten die vier norddeutschen Regierungschefs am 8. November des Konzept der „Systemtechnik Nord“ vorgestellt: Die Howaldtwerft in Kiel, der Bremer Vulkan und Krupp-Atlas-Elektronik sollen sich an der neuen Gesellschaft beteiligen. Allein der Vulkan soll 30 Prozent übernehmen.

Aber er hat kein Geld. Seit Beginn der Schiffbaukrise in den 70er Jahren hat der Vulkan rote

Zahlen geschrieben. Viermal seit 1986 hat er sein Kapital durch Ausgabe neuer Aktien erhöht, sodaß es sich bis heute etwa verfünffacht hat. Und gestern wandte sich der Vorstand mit der gleichen Zirkusnummer an die Aktionäre (Kapitalerhöhung von 296 Millionen auf 444 Millionen) und erntete Zorn und Spott:

Die bisherigen Kapitalerhöhungen seien allesamt „verfrühstückt“ worden, rief ein Aktionär, obwohl der Vorstand ihnen immer wieder eine bessere Zukunft versprochen habe. Er habe sie immer wieder verführt, neue Aktien zu kaufen, und dann doch nur Verluste gemacht. Dividende hätten sie nun schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen, riefen die Aktionäre, quasi im Chor. Die Kapitalerhöhung müsse abgelehnt werden, appelierten mehrere Redner an ihre Leidensgenossen. Der Vorstand ließ es über sich ergehen, und bemühte sich um einen guten Eindruck. Das

laufende Jahr werde eine ausgeglichene Bilanz bringen, versprach Hennemann. Und die Beteiligung an der „Systemtechnik Nord“ sei eine gute Expansions-Chance für die Werft. Die Aktionäre blieben mißtrauisch. Ob es denn angesichts der Entspannung zwischen Ost und West richtig sei, noch in die Rüstung zu investieren, fragte einer - und blieb ohne Antwort.

Dann kam die Abstimmung und alles wurde anders: 95 Prozent des vertretenen Kapitals stimmte für die Kapitalerhöhung und damit indirekt für die Beteiligung an der Systemtechnik Nord. Des Rätsels Lösung: Wie üblich waren viele Aktionäre nicht selbst gekommen, sondern hatten ihre Stimmrecht ihrer Bank übertragen. Und die Banken unterstützten den Vorstand, denn sie sind in

die Pläne für die Systemtechnik Nord eingebunden.

Ob nun aus der neuen Rüstungsfirma was wird, ist noch ungewiß. Aber, auch wenn diese Pläne scheitern: Das Geld aus der Kapitalerhöhung kann der Vulkan in jedem Fall gebrauchen. Hennemann: Für Expansion in Richtung auf das Europa von 1992.

Michael Weisfeld