Aufruhr für eine Staudamm-Leiche

Die Sowjets hatten das Rogun-Kraftwerk am Wachsch einst geplant. Jetzt bemüht sich Tadschikistans Regierung um eine Wiederbelebung. Das schürt Konflikte im Bürgerkriegsland  ■ Aus Duschanbe T. Ruttig

Eine sowjetische Investitionsleiche soll wiederbelebt werden: das Rogun-Wasserkraftwerk am Fluß Wachsch in Tadschikistan. Halbfertig bröckelt seine Staumauer, 335 Meter dick, seit der Mitte der achtziger Jahre begonnene Bau in spätsowjetischer Zeit aus Geldmangel eingestellt werden mußte und 1992 vom Bürgerkrieg schließlich ganz auf Eis gelegt wurde. Der Wachsch, ein Quellfluß des Amu- Darya, habe schon die meisten Baumaterialien weggespült, teilte die tadschikische Energiebehörde „Barq-e Todschik“ jetzt mit, und Kämpfe hätten auch bereits fertiggestellte Anlagen erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Geld hat auch die tadschikische Regierung in Duschanbe nicht, die nach der Unabhängigkeit 1991 die Investitionsruine von Moskau erbte. Die damals ärmste der Sowjetrepubliken ist auch heute noch kriegsbedingt, das Armenhaus der GUS: Der monatliche Durchschnittslohn betrug Anfang 1996 fünf Dollar, die Rente gar nur zwei – ein Brot kostet etwa 50 Cent.

Also müssen Kredite her. 30 Millionen US-Dollar will Duschanbe erst mal einwerben, um zu verhindern, daß der Rest des Roguner Baus auch noch als Geröll im Wachsch landet. Insgesamt würden für das Projekt 3,5 Milliarden Dollar benötigt. Zudem hat Duschanbe Moskau eine 50prozentige Beteiligung angeboten, aber dort ist man zurückhaltend. Die russischen Stromversorger sitzen selbst auf Milliardenschulden.

Die Aussichten, daß Duschanbes Ruf erhört wird, sind trotzdem so schlecht nicht. Die sechs Generatoren in Rogun mit 13,3 Milliarden Kilowattstunden Gesamtleistung könnten durch Stromexporte nach Indien und Pakistan über eine Milliarde Dollar im Jahr generieren. Für eine Leitung über den Pamir versprach Pakistan bereits 1994 einen 500-Millionen- Dollar-Kredit. Auch sonst werden Tadschikistans Investitionsaussichten positiv bewertet. Die Financial Times bemerkte in ihrer diesjährigen Mittelasien-Jahresübersicht zu der Republik: „Im Süden herrscht nahezu Anarchie, aber der Norden ... war stabil und hat einige Investoren angezogen.“ Denen haben es besonders die reichen Goldvorkommen angetan. Das größte Projekt ist ein Joint- venture mit der „British and Commonwealth Minerals“.

Aber Rogun hat auch eine politische Dimension. Viele der noch etwa 30.000 tadschikischen Flüchtlinge in Nordafghanistan stammen aus der Gegend. Erst 1989, lange nach Baubeginn, hatten 3.000 Familien erfahren, daß sie dem Damm weichen und weiter nach Südwesten ins Wachschtal ziehen sollten. Doch in dem bergigen Land ist landwirtschaftlich nutzbarer Boden knapp und gerade im Südwesten vollständig besetzt. So protestierten die Roguner zuerst friedlich gegen den Bau, auch in Moskau. Auf Beschluß des sowjetischen Ministerrats wurde daraufhin die Staumauer 50 Meter niedriger, um Teile des Landes vor der Überflutung zu bewahren.

Doch die tadschikischen Regierungen wollten davon seit der Unabhängigkeit nichts mehr wissen – bis heute. Das hat die örtliche Bevölkerung schließlich in die Arme der tadschikischen Opposition getrieben. Im Bürgerkrieg wurde sie von den Regierungsmilizen vertrieben. Auf der Suche nach neuen Land schaffen die Vertriebenen heute neue Spannungen – diesmal aus ökologischen Gründen.