„Skontofristüberziehungsmenschlichkeit“

■ Skurrile Alltagsanekdoten und unverwechselbare Endreimpoeme: Horst Tomayer liest heute im „Gemischten Doppel“ mit Hermann Gremliza in der Schauspielhaus-Kantine

Gute Satiriker gibt es viele, und auch die humoristische Lyrik wird von einigen gepflegt: Henscheid, Gernhardt, Gsella, Droste, Bernstein, etc.. Aber es gibt nur einen Horst Tomayer. Unter den deutschen Sprachkomikern ist der untersetzte Wahlhamburger eine Ausnahmeerescheinung – schon rein äußerlich.

Die wärmere Hälfte des Jahres trägt er konsequent Shorts, oberhalb spannt sich ein knappes T-Shirt über den Schmerbauch. So sieht man ihn vom Schlump zu seiner Stammkneipe in der Rappstraße radeln, wenn er nicht gerade für eine Nebenrolle in Film oder Fernsehen (die Otto-Filme, Der Bergdoktor) vor der Kamera steht. Regelmäßig bereichert er zudem konkret durch seine Kolumne Tomayers ehrliches Tagebuch.

Darin finden sich neben skurrilen Alltagsanekdoten seine unverwechselbaren Endreimpoeme. Sie sind so geschrieben, wie Tomayer sie vorträgt: voller Inbrunst. Die Bandbreite reicht vom Kampfgedicht gegen den einstigen Bundespräsidentschaftskandidaten Heitmeier (“Eher fress ich eine Frikadelle aus Granit / Als daß du rumfurzst in der Villa Hammerschmidt“) über Ermahnungen junger Kollegen angesichts der ungesicherten Altersversorgung freischaffender Künstler bis zum „Lob des Kerpeners“ Michael Schumacher. Sprachlich schöpft Tomayer aus allem, was die deutsche Sprache und seine bayerische Mundart zu bieten haben. Wo das nicht ausreicht, kreiert er neue Worte wie die „Skontofristüberziehungs-menschlichkeit“. Zu- weilen kommt der Reim kaum mit der Sprachflut mit, etwa wenn Tomayer gegen Weltuntergangspropheten wettert: „Sowohl mit bis zum Gipfelkreuz des Herzogstands aufgebautem Zorn wie mit sturmflutähnlich tobendem Ekel / Verfolge ich die Schwadronaden der Damen und Herren von der Zeitgeistsekte Menetekel“.

Heute liest er zusammen mit Hermann L. Gremliza als „Gemischtes Doppel“. Bei den Texten des konkret-Herausgebers geht es meist leiser zu. Da er dem Ostblock als Schritt in Richtung Überwindung des Kapitalismus nachtrauert, bleibt er politisch perspektivlos. Im Aufdecken des Ideologiegehalts und sprachlichen Unfugs der bürgerlichen Medien ist er jedoch streckenweise brillant.

Am Montag wird Tomayer 61. Körperliche Gebrechen können ihm aber nur wenig Angst einjagen: „Warum? Ich steck von jeder Honoraranweisung / Die meine Endreimproduktion begütigend betrifft / Seit vielen Jahren schon in Sparschweins Rückenschlitz, mich selber so auf weise Art bezehntend / Fünf Mark für meinen Lifta Treppenlift.“ Michael Müller

Heute, Schauspielhaus-Kantine, 21 Uhr