Das Warten auf bessere Zeiten

■ Trotz guter Ansätze: Nach dem 1:1 gegen Frankfurt spricht man beim Hamburger SV weiter vom Abstieg

Da stand er, die Arme gen Himmel gereckt. Und stand und stand. Und stand. „Irgendwie hab' ich mich auch gewundert“, grinste Nico Kovac später in den Katakomben des Frankfurter Waldstadions, „und da kam keiner und kam keiner und kam keiner.“ Die Situation nach dem 1:0 des Kroaten in der 54. Minute des Spiels gegen Eintracht Frankfurt am Samstag war Anlass des Amüsements. Einige Momente vergingen, ehe die Mitspieler begriffen oder begreifen wollten, dass Kovacs Pose eine Forderung in sich barg, und bis sich Spieler wie Mejer oder Mahdavikia zu ihm gesellten, um dem Torschützen zu seiner erfolgreich verrichteten Arbeit zu gratulieren.

Dass die fehlende Bereitschaft zum gemeinsamen Jubel an der Erschöpfung der Beteiligten lag, wollte Kovac nicht bestätigen. Erst ab der 80. Minute habe man „beißen“ müssen. Aus dem Fußballerdeutsch übersetzt bleibt die Erkenntnis, dass es die letzten zehn Minuten dem Hamburger Sport Verein (HSV) schwerer gefallen sein muss, ein Spiel zu entwickeln, welches eine reelle Chance auf ein weiteres Tor eröffnet hätte. Aber eigentlich hatte man im Verlauf des Spiels gegen Eintracht Frankfurt sowieso selten die Vorstellung, der HSV könne in dieser Partie mehrere Tore erzielen.

Dabei haben sie nicht schlecht gespielt. Marek Heinz, der mit Erik Mejer und Mehdi Mahdavikia die vorderste Angriffsreihe bildete, war immer anspielbar, zog sich oft ins Mittelfeld zurück, um sich die Bälle zu holen und beeindruckte durch seinen enorm „schnellen ersten Schritt“, wie man beim Basketball sagen würde. Seinen Gegenspieler Christoph Preuß ließ er des öfteren stehen – wie allerdings auch Eintracht-Spieler Thomas Sobotzik die Hamburger Hintermannschaft bei seinem Ausgleich zum 1:1 in der 78. Spielminute.

Womit wir bei der in dieser Saison üblichen Aufarbeitung der negativen Auffälligkeiten im Auftritt des Hamburger SV wären. Das schlechte Ausnutzen der Chancen war es, was Trainer Frank Pagelsdorf missmutig stimmte. Nennen wir es eher Kontermöglichkeiten, Chancen nämlich ergaben sich kaum aus den Gegenstößen, bei denen des öfteren drei Hamburger auf zwei Frankfurter trafen. „Wir haben es verpasst, die Konter positiv abzuschließen, obwohl wir das Spiel kontrolliert haben.“ In diesem Moment kann einem Frank Pagelsdorf fast leid tun.

Torwart Hans Jörg Butt wusste einen ganz neuen Aspekt hinzuzufügen. Um wirklich nach vorne zu kommen, müsse ein Sieg her. „Sonst steht man immer auf der selben Stelle.“ Siege erkämpfe oder erspiele man sich. Und da der Akku der Mannschaft sich der Leere näherte, war das spielerische Potenzial trotz einiger guter Ansätze begrenzt.

Es stecke ja schon mehr in der Mannschaft, aber man sei einfach zu „schlurig“ mit den Chancen umgegangen, sagte Manager Bernd Wehmeyer gegenüber der taz. „Wir wollen möglichst jedes Jahr international spielen, und wir haben genügend qualitativ hochwertige Spieler.“

Genutzt hat es wenig. Und ob das Ruder noch in dieser Periode rumgerissen werden kann, stellen selbst die Verantwortlichen in Frage. Sicherheit, sowie Selbstvertrauen, das die Mannschaft noch in der Saison 1999/2000 ausgezeichnet hat, ist ihr abhanden gekommen, irgendwo zwischen Champions-League-Qualifikation und Juventus Turin. Frank Pagelsdorf spricht weiterhin vom Abstiegskampf. Niko Kovac von seinem „Dank an Gott“, dass er im Länderspiel der Kroaten gegen Lettland am kommenden Wochenende gesperrt ist. So kann er sich wenigstens ausruhen und muss nicht auf andere warten. Florian Bauer