Annette Schavan: Nominierung und neue Vorwürfe

Zwei Drittel der Deutschen fordern den Rücktritt von Annette Schavan, falls die Plagiatsvorwürfe stimmen. Ihre Bundestagskandidatur hat die Ministerin immerhin seit Freitag sicher.

Endlich mal wieder lächeln: Annette Schavan genießt in Ulm die Standing Ovations nach ihrer Nominierung. Bild: dpa

BERLIN dpa/dapd | Bei einer Aberkennung ihres Doktortitels muss Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) nach Auffassung von fast zwei Dritteln der Bürger zurücktreten. In einer Emnid-Umfrage für das Magazin Focus vertraten 62 Prozent der Befragten die Auffassung, Schavan könne nicht im Amt bleiben, wenn sich die Plagiatsvorwürfe gegen sie bestätigen sollten.

39 Prozent der Befragten waren der Ansicht, Schavan sollte schon jetzt ihr Amt bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen lassen. Eine Mehrheit von 56 Prozent sah dies aber nicht so.

Laut Focus droht Schavan zudem neuer Ärger. Am Freitag beschäftigt sich dem Bericht zufolge der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages mit Unregelmäßigkeiten bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Die Akademie soll nach Feststellungen des Bundesrechnungshofs von Schavans Ministerium Fördermittel für hohe Gehälter und Übernachtungen in Fünf-Sterne-Hotels verwendet haben.

Entgegen den Forderungen des Bundesrechnungshofes weigere sich Schavan, die Mittel zurückzufordern. Aus Sicht der Prüfer könne aber das Bundesbildungsministerium „aus seiner Verpflichtung, das Haushaltsrecht konsequent durchzusetzen, nicht entlassen werden“.

96 Prozent für Schavan

Ungeachtet des Verfahrens an der Universität Düsseldorf zur Aberkennung von Schavans Doktortitel hatte ihr CDU-Kreisverband Alb-Donau/Ulm die 57-Jährige am Freitagabend wieder als Bundestagskandidatin aufgestellt. Auf sie entfielen 96 Prozent der Delegiertenstimmen. Einen Gegenkandidaten gab es nicht.

Trotz der Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung ihres Doktortitels hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) weiter absoluten Rückhalt in ihrem Kreisverband. Die 57-Jährige wurde am Freitagabend in Ulm zum dritten Mal zur Bundestagskandidatin des CDU-Kreisverbandes Alb-Donau/Ulm gewählt. Sie erhielt 96 Prozent der Stimmen. 294 Parteimitglieder stimmten mit Ja, nur 10 mit Nein.

Nach ihrer Wahl gab es stehende Ovationen. Die Ministerin zeigte sich gerührt. Einen Gegenkandidaten hatte Schavan nicht. Sie gehört seit 2005 als Direktkandidatin des Ulmer Wahlkreises dem Bundestag an.

Schavan steht seit Mai vergangenen Jahres wegen einer Plagiatsaffäre in den Schlagzeilen. Am Dienstag hat der Rat der Philosophischen Fakultät an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet. Am Ende könnte die Aberkennung des Doktortitels stehen. Die Bundesbildungsministerin bestreitet vehement, bei ihrer 1980 verfassten Doktorarbeit abgeschrieben oder Quellen nicht korrekt zitiert zu haben.

Schavans Stellungnahme

Am Freitag nahm Schavan gleich zu Beginn ihres Rechenschaftsberichts als Bundestagsabgeordnete zu den Plagiatsvorwürfen Stellung. Sie habe in den vergangenen Monaten mit vielen Fachwissenschaftlern gesprochen, die ihr bestätigt hätten, dass die Vorwürfe gegen sie unberechtigt seien. „Ich habe nicht abgeschrieben und schon überhaupt nicht getäuscht“, versicherte Schavan. Sie setze nun auf ein faires und ergebnisoffenes Verfahren der Düsseldorfer Universität.

Die Ministerin bedankte sich in Ulm für die überwältigende Unterstützung der vergangenen Wochen und Monate „bis hin zum heutigen Abend“. „Das bewegt mich ungemein“, sagte sie und warb um das Vertrauen der Parteimitglieder und kündigte an, die Wissenschaftsstadt Ulm weiter stärken zu wollen.

Ulms Erster Bürgermeister Gunter Czisch (CDU) sagte, es sei bemerkenswert, welche Standhaftigkeit die Ministerin in den vergangenen Monaten gezeigt habe. Der Kreisverband sei der Überzeugung, mit ihr die beste Kandidatin zu haben. Es gehe mit der Nominierung nicht nur darum, eine klare Entscheidung für den Wahlkampf zu setzen, sondern auch ein Signal ins Land hinein zu senden, hob der Kommunalpolitiker hervor. „Das sind wir Annette Schavan schuldig, weil wir ihr viel zu verdanken haben“, sagte Czisch. Schwäbisch könne sie allerdings immer noch nicht, frotzelte er.

Direktmandat seit 2005

Die aus Nordrhein-Westfalen stammende Ministerin wurde zu Beginn der Veranstaltung im ländlichen Ulmer Ortsteil Eggingen mit viel Applaus von den mehr als 300 Anwesenden empfangen. Schavan begrüßte am Eingang zum Saal der Gemeindehalle wiederum alle Parteimitglieder mit Handschlag oder mit kurzer Umarmung. Dabei bekam sie viel Zuspruch von der Basis. Eine „Riesensauerei“ sei das, was die Düsseldorfer Universität mit ihr veranstalte, erboste sich beispielsweise ein älterer Herr.

Die 57-Jährige vertritt seit 2005 den Wahlkreis Ulm, der auch den Alb-Donau-Kreis umfasst, mit Direktmandat im Bundestag. Genau so lange ist sie Bundesbildungsministerin. Die zehn Jahre davor war sie Kultusministerin in Baden-Württemberg.

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat Schavan unterdessen Rückendeckung gegeben. „Annette Schavan hat unser volles Vertrauen“, sagte Kauder der Welt am Sonntag und betonte, es sei keine abschließende Entscheidung gefallen. Kauder sagte, er unterstütze die Forderung, dass die Universität ein externes Gutachten einholen sollte. „Die Universität würde sich selbst den Gefallen tun, externen Sachverstand einzubeziehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bei wieviel Prozent liegen die Parteien? Wer hat welche Wahlkreise geholt?

▶ Alle Zahlen auf einen Blick

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.