Angst vor gesetzlichen Fahrverboten: Diesel wird zum Ladenhüter

Dieselgate? Stickoxide? Diesel-Pkw wurden trotzdem immer gekauft. Nun aber drohen Fahrverbote in Städten – die Zulassungen brechen ein.

Autos in einem Turm der VW-Autostadt

Der Blick in den Abgrund: Die Diesel-Debatte zeigt Wirkung Foto: dpa

BERLIN taz | Lange schien es, als sei der Abgasskandal den deutschen Autokäufern egal. Trotz Berichten über drastisch überhöhte Schadstoffwerte bei einem Großteil der aktuellen Dieselmodelle hielten die Deutschen dem Diesel die Treue: Nachdem der Dieselanteil an den Pkw-Neuzulassungen von 2011 bis 2015 zwischen 47 und 48 Prozent geschwankt hatte, lag er 2016 – dem ersten Jahr nach dem Eingeständnis von VW, seine Dieselmotoren illegal manipuliert zu haben – noch immer bei 46 Prozent.

Doch jetzt zeichnet sich eine Wende ab: Laut der am Dienstag veröffentlichten Monatsstatistik des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) hatten im März nur noch 40,6 Prozent der neu zugelassenen Pkw einen Dieselmotor. Das ist der niedrigste Wert seit dem Jahr 2009. Der Einbruch deutet auf eine Verunsicherung über mögliche Fahrverbote hin: Im Februar hatte die Landesregierung von Baden-Württemberg angekündigt, bei Feinstaub­alarm einige Straßen in Stuttgart ab 2018 für Dieselfahrzeuge zu sperren. Zwar sollen Neuwagen ausgenommen werden, aber die Zukunft ist ungewiss.

So stellte der ADAC in einem Test Ende März fest, dass nur zwei von 38 getesteten aktuellen Dieselmodellen die Grenzwerte einhielten; die übrigen überschritten ihn um bis zu 900 Prozent. „Viele Autofahrer sind wegen der Abgasmanipulationen und drohender Fahrverbote stark verunsichert“, sagte ADAC-Technikchef Thomas Burkhardt.

Die Verunsicherung ist groß

Fahrverbote drohen auch in München, Klagen liegen auch in anderen Städten an. Bundesweit möglich werden sollen solche Verbote zudem durch eine geplante neue, blaue Plakette für Fahrzeuge, die die gesetzlichen Grenzwerte einhalten. Ihre Einführung ist bisher am Widerstand von CSU-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gescheitert. Nach der Bundestagswahl dürfte sie aber wieder auf die Tagesordnung kommen.

Auch aus Brüssel droht ein schärferer Wind. Am Dienstag brachte das EU-Parlament härtere Regeln für die Zulassung von Autos auf den Weg. In Zukunft sollen nach dem Willen der Parlamentarier, dem die EU-Staaten noch zustimmen müssen, die Autohersteller die Zulassungsstellen nicht mehr direkt bezahlen. Die Behörden, in Deutschland das KBA, sollen aus Steuergeldern finanziert werden. Auch solle die EU-Kommission selbst Autos testen können und nationale Behörden auch Autos untersuchen können, die andere Länder zugelassen haben. Bei Betrug sollen die Hersteller bis zu 30.000 Euro pro Wagen berappen müssen.

Elzbieta Bienkowska

„Der Diesel wird viel schneller verschwinden, als wir es uns vorstellen können“

Das Parlament nahm einen Untersuchungsbericht an, der der Kommission und den EU-Staaten eine Mitschuld an dem Skandal gab. Eine zentrale EU-Zulassungsstelle, wie von der Kommission gefordert, lehnte die Mehrheit allerdings ab. Für die EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska ist das Ende des Diesels greifbar nahe: „Der Diesel wird viel schneller verschwinden, als wir uns vorstellen können“, sagte sie.

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