Angst vor Trumps Zöllen: Verladehäfen droht existenzielle Krise

Besorgt blicken Politiker und Wirtschaftsführer Richtung USA. Sollte der neue Präsident Einfuhrzölle erheben, träfe das vor allem Häfen und damit Norddeutschland

Bleiben die Deutschen dank Trump auf Exportgut Nummer eins sitzen? Autos warten am VW-Werk Emden auf den Transport gen USA Foto: Ingo Wagner/dpa

HAMBURG taz | Das Ende ist nah. Also das des weltweiten Handels mit Waren und Rohstoffen. Könnte meinen, wer die sich mehrenden Hiobsbotschaften aus den Häfen Norddeutschlands und aus ganz Nordeuropa hört. Seit Jahren klagt die Branche über die konjunkturelle Flaute. Linderung, gar Heilung, ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Denn jetzt kommt auch noch Donald Trump. Und sollte der künftige US-Präsident die im Wahlkampf angedrohten Handelsbeschränkungen tatsächlich einführen, „droht Europa, Deutschland als exportstarker Nation und insbesondere Norddeutschland wirtschaftlicher Schaden“, befürchtet Reinhard Meyer, SPD-Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein.

Damit steht Meyer nicht allein. „Sollte Trump auf eine isolationistischere und protektionistischere Wirtschaftspolitik umschwenken, würde unser Außenhandel das in den kommenden Jahren sehr negativ zu spüren bekommen“, fürchtet Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg. Auch die Industrie würde unter höheren Zöllen und Marktbeschränkungen leiden. Deshalb bleibe vorerst nur die Hoffnung, so Melsheimer, dass Trump „seine angekündigte wirtschaftliche Abschottungspolitik nicht eins zu eins umsetzen wird“.

Starr vor Schreck starren derzeit hanseatische Kaufleute und norddeutsche Wirtschaftsführer Richtung USA, vollmundige Entscheider werden zu verängstigten Zauderern. Denn Nackenschläge aus Washington, so die verbreitete Einschätzung nach neun Jahren Weltschifffahrtskrise, kann Norddeutschland wirklich nicht gebrauchen. Deutschlands größter Hafen Hamburg, Nummer drei in Europa, hat seit 2008 rund zwölf Prozent seines Umschlags verloren, zwischenzeitlich war es gar mal doppelt so viel. Bremerhaven, Nummer zwei in Deutschland und in Europa auf Platz vier, stagniert, der neue Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven kommt nicht in die Gänge.

So ist es an der gesamten Küste: 2015 wiesen alle deutschen Häfen zusammen ein Umschlagminus von 2,6 Prozent aus, in der Containersparte lag der Rückgang sogar bei 4,6 Prozent. Die Flaute auf dem Kai reicht von Emden bis Greifswald.

Die USA sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes der wichtigste deutsche Handelspartner. 2015 wurden zwischen beiden Ländern Waren im Wert von 173,2 Milliarden Euro gehandelt.

114 Milliarden Euro betrug der Export. Das mit Abstand wichtigste Exportgut waren Autos und Autoteile mit einem Volumen von allein 34 Milliarden Euro vor Maschinen und Anlagen mit 17,7 Milliarden Euro und Pharmaprodukten mit 13,4 Milliarden.

Aus den USA importiert wurden Waren im Wert von 59,3 Milliarden Euro, vor allem Datenverarbeitungsgeräte, pharmazeutische Produkte sowie Autos und andere Fahrzeuge. Unter dem Strich ergibt sich für Deutschland ein Exportüberschuss von fast 55 Milliarden Euro.

Für Bremen sind die USA der zweitwichtigste Handelspartner, für Schleswig-Holstein der drittwichtigste. In Niedersachsen rangieren die USA auf Platz vier, in Hamburg auf Rang fünf.

Es herrscht Stillstand

Stillstand herrscht auch bei den großen Konkurrenten in der Nordrange, der Riege der führenden Containerhäfen in Nordwesteuropa. Das französische Le Havre dümpelt auf niedrigem Niveau dahin, Europas zweitgrößter Hafen, Antwerpen in Belgien, hält seinen Rang nur, weil es seinem kleinen Nachbarn Zeebrügge Schiffe und Ladung abspenstig macht, und der niederländische Marktführer Rotterdam tritt auf der Stelle. 2015 verzeichnete die Nordrange einen Umschlagrückgang von 1,6 Prozent – zum ersten Mal, seit in Europa ein Container angeliefert wurde: am Hamburger Terminal Burchardkai vor 50 Jahren im Mai 1966. Das war zwei Monate vor dem legendären Tor im WM-Finale in Wembley, und drei Jahre, bevor Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat – lang ist’s her.

„Der klassische Güterhandel mit standardisierten Massenprodukten ist ein Auslaufmodell“, behauptet deshalb wagemutig der Ökonom Thomas Straubhaar, bis 2014 Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts. „Es kann ökonomisch nicht nachhaltig sein, Standardgüter zentral herzustellen und sie um die halbe Welt zu transportieren“, stellt er seine eigene bisherige Lehre in Frage. Die Globalisierung mit Schiffen und Häfen verliere an Relevanz, was Volkswirtschaftler seit mindestens 200 Jahren „gefeiert haben, ist jetzt völlig überholt“, so Straubhaar. Abhilfe weiß der Wissenschaftler indes nicht so recht: „Wir brauchen eine neue Theorie.“

Stimmt nicht, glaubt hingegen das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Internationalen Unsicherheiten zum Trotz rechnet das Institut für 2017 mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 1,7 Prozent. „Die langfristigen Auswirkungen der Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten sind derzeit nur schwer absehbar, kurzfristig dürften die Folgen gering bleiben“, glaubt Stefan Kooths, Leiter des IfW-Prognosezentrums.

Der wirtschafts- und finanzpolitische Kurs des künftigen US-Präsidenten sei noch sehr unklar, schreibt Kooths auf der IfW-Homepage: „Klar scheint bislang nur seine dezidiert protektionistische Haltung zu sein.“ Eben die aber könnte für den Exportweltmeister Deutschland und vor allem für die exportdominierten großen Häfen Hamburg und Bremerhaven zum großen Problem werden.

Würden die USA tatsächlich schmerzhafte Einfuhrzölle auf Automobile erheben, so ein Szenario, könnte dies zu einer existenziellen Krise für Deutschlands größte Autoverladehäfen Bremerhaven und Emden führen. 3,6 Millionen Automobile wurden 2015 von dort ausgeführt, ein Drittel davon in die USA. Und bei Niedersachsens größtem Arbeitgeber, VW in Wolfsburg, könnte Kurzarbeit drohen. So kompliziert die globalen Warenströme mitunter erscheinen, so simpel können Ursachen und Wirkungen zusammenhängen.

Ein Grund für die Hafenwirtschaft, sich zunächst einmal in Beschwichtigungsversuchen zu üben. „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, ruft Gunther Bonz eine Volksweisheit in Erinnerung. Der Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg und Generalbevollmächtigter des größten deutschen Hafenlogistikers Eurogate in Bremen „ist hoffnungsfroh, dass es nicht so schlimm kommt, wie von Trump angekündigt“. Doch worauf sich seine Hoffnung stützt, sagt Bonz nicht.

Auch Kooths vom IfW hat keine wirklich harten Argumente bei der Hand. „Wirtschaftliches Wachstum und Abschottung passen nicht zusammen“, warnt er Trump, den Minister Meyer zugleich „einen Geschäftsmann und Pragmatiker“ nennt.

Über den Horizont blicken

Und so sehen die norddeutsche Wirtschaft und Wirtschaftspolitik dem Machtwechsel im Weißen Haus am 20. Januar 2017 mit Hoffen und Bangen entgegen: „Insgesamt muss man skeptisch sein“, räumt Hamburgs parteiloser Wirtschaftssenator Frank Horch ein. Über den Horizont zu blicken, fällt aber auch ihm trotz jahrzehntelanger Karriere als Hafenmanager und Präses der Hamburger Handelskammer nicht leicht: „Man muss erst mal abwarten, wie es in der Realität am Ende tatsächlich aussieht.“

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