Angebliche Fallen im Hambacher Forst: Wühlen nach dem Grund der Eimer

Die Räumung im Hambacher Forst geht am Montag weiter. Die Polizei erhebt schwere Vorwürfe auf Twitter, rudert inzwischen aber zurück.

Polizisten räumen den Hambacher Forst

Trotz der angeblichen „Lebensgefahr für alle“ wird weiter geräumt Foto: dpa

HAMBACHER FORST taz | Er klingt müde und heiser. Doch als er mitbekommt, dass am Boden eine Kamera läuft, wird Jus wieder kämpferisch. In mehr als 15 Meter Höhe hängt er in einem Baum – als einziger verbliebener Bewohner der ehemaligen Baumhaussiedlung „Oaktown“ im Hambacher Forst. „Ihr zerstört unsere Häuser“, ruft er auf Englisch den Arbeitern zu, die gerade im Nachbarbaum sein ehemaliges Baumhaus zerstören. „Und ihr zerstört die Zukunft unseres Planeten.“

Er habe die ganze Nacht allein, ohne Verpflegung und Schlafsack in einer Hängematte ausgeharrt, berichtet Jus, der nach eigenen Angaben seit sechs Jahren im Hambacher Forst lebt. Dass er als einziger Bewohner von Oaktown am Sonntag nicht geräumt wurde, erklärt er so: „Immer wenn sie gekommen sind, bin ich aufs äußerste Ende eines Astes gegangen und habe alle Sicherungen gelöst. Dann war ihnen das Risiko zu groß und sie haben mich in Ruhe gelassen.“

Dass er nun im Baum ausgehungert werden soll, wie er befürchtet, bestreitet die Polizei. Tatsächlich kommen, kurz nachdem seine Situation über Twitter bekannt wird, einige Unterstützer und bringen ein Paket mit Essen und Trinken, das er an einem heruntergelassenen Seil auf seinen Baum zieht.

Nachdem es am Sonntag bis zu 1000 Menschen gelungen war, von einer angemeldeten Demonstration aus an Polizeiketten vorbei in den eigentlich gesperrten Wald zu gelangen, ist der Zugang am Montag kaum mehr möglich. Nur JournalistInnen und Abgeordnete werden durchgelassen um sich selbst ein Bild von der Räumung zu machen. Doch auch sie werden teilweise auf Abstand gehalten – aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Erst später ermöglicht die Pressestelle der Polizei eine größere Nähe. Situationen wie am Vortag, als private Sicherheitskräfte versucht haben sollen, JournalistInnen Bilder von Festnahmen zu verkaufen, gibt es heute nicht.

Stattdessen lässt sich unmittelbar verfolgen, wie das Dorf „Gallien“ geräumt wird. Mit sieben Baumhäusern und mehreren Plattformen, die teils mit Seilen oder ganzen Seilbrücken verbunden sind, gehört es zu den größten Strukturen im umkämpften Wald. Nachdem am Morgen mehrere kleinere Sitzblockaden am Boden geräumt wurden, sind die Baumhäuser am Mittag von fünf großen Hubsteigern umgeben, von denen aus sich Polizei- und SEK-Kräfte mit Kletterausrüstung und Motorsägen auf die Häuser zu bewegen.

Lageplan Hambacher Forst (Stand der Räumung von Freitag) Foto: Infotext Berlin

„Hambi bleibt, Hambi bleibt“, rufen die Menschen, als schließlich die ersten von den Häusern auf die Plattformen geschafft werden. Sie müssen nach Auskunft der Polizei mit Platzverweisen für den Hambacher Forst rechnen. Strafanzeigen gibt es nur, wenn bei der Räumung Widerstand geleistet wird. Insgesamt ist die Stimmung hier trotz der gefährlichen Einsätze in 15 bis 25 Metern Höhe einigermaßen entspannt. Eine Cellistin, die zusammen mit die Linken-Bundestagsabgeordneten Sabine Leidig in den Wald gekommen ist, spielt gegen das Brummen der Dieselmotoren und das Kreischen der Kreissägen an. Stücke aus der ersten Cello-Suite von Bach.

Für große Aufregung sorgt hingegen ein Tweet, den die Polizei-Pressestelle am Vortag abgesetzt hat. Darin warnte sie vor „Lebensgefahr für alle“ durch angebliche „Fallen“ im Wald. „Mittels einer Drahtseilkonstruktion wurde ein, mit Beton & Schutt gefüllter Eimer in die Höhe gezogen“, hieß es. „ Beim Auslösen der Falle, fällt der Eimer in die Tiefe.“ AktivistInnen hatten das sofort zurückgewiesen.

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„Solche Eimer mit Seilen werden im Boden verankert, zum Beispiel um Kletterseile zu stabilisieren“, sagte Momo der taz. Der junge Aktivist, der als eine Art Sprecher der Baumhausbewohner agiert und seinen kompletten Namen nicht nennen will, vermutet, dass mit dem Tweet der Protest gezielt diskreditieren werden sollte.

Dass es sich um Befestigungen im Boden handelte, würde zu den Bildern passen, die die Polizei zusammen mit ihrem Tweet verbreitet hatte. Darauf befindet sich der Eimer am Boden; auch am oberen Rand und an den Seiten ist Erde zu erkennen. Nachdem die Polizei am Montagmorgen auf taz-Anfrage noch erklärt hatte, sie halte an ihrer Interpretation der Bilder fest, ruderte sie am Mittag zurück. „Der genaue Verwendungszweck des Eimers ist noch nicht klar“, sagte Pressesprecher Andreas Müller. Genauere Untersuchungen dauerten noch an.

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Die Pressestelle der Polizei bestätigte der taz am Nachmittag, dass der Eimer sich – anders als im Tweet dargestellt – nicht in der Luft, sondern am Boden befunden habe, als er aufgefunden wurde. Komplett zurücknehmen wollte man den Alarm vom Vortag aber auch nicht. „Aus Sicht der Polizei hätte der Eimer in die Höhe gezogen und beim Passieren von Polizeibeamten zu Boden fallen gelassen oder als Pendel eingesetzt werden können“, hieß es. Zudem seien in der Nähe Tarnkleidung und Schraubenmuttern und Pyrotechnik gefunden worden. Die Frage, ob der Eimer ursprünglich im Boden vergraben worden war, blieb unbeantwortet.

Von den Räumungen berichtet am Montag taz-Redakteur Malte Kreutzfeldt auch im Livestream. Diese sind hier oder über sein Twitterprofil zu sehen.

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