Angeblich toter Flüchtling in Berlin: Helfer hat alles nur erfunden

Ein Facebook-Eintrag führt zu großer Aufregung. „Moabit hilft!“ ist erleichtert, aber fassungslos und entschuldigt sich. Die CDU will Konsequenzen.

Eine Schlange von Menschen in der Dunkelheit

Geflüchtete stehen am 28. Januar 2016 am Lageso in Berlin an. Foto: dpa

BERLIN taz/dpa | Ein Flüchtlingshelfer hat sich den Fall eines toten Asylbewerbers in Berlin laut Polizei ausgedacht. „Er hat in der Vernehmung zugegeben, dass er alles frei erfunden hat“, sagte ein Behördensprecher am späten Mittwochabend nach der Vernehmung des Mannes, der den angeblichen Todesfall im Internet publik gemacht hatte.

Bereits nach der ersten Befragung des Mannes hatte eine Polizeisprecherin klargestellt: „Wir haben keinen toten Flüchtling.“ Der Helfer habe zwar „die ganze Republik verrückt gemacht“ – aber eine Straftat sei sein folgenreicher Internet-Eintrag nicht.

Der Fall hatte am Mittwoch in Berlin für große Aufregung gesorgt. Der Mann hatte in der Nacht bei Facebook mitgeteilt, dass ein 24 Jahre alter Syrer in der Nacht gestorben sei. Zuvor habe der Asylbewerber tagelang vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) angestanden. Der Helfer habe den stark fiebernden Mann zu sich geholt. Wegen seines schlechten Zustandes sei er von einem Krankenwagen abgeholt worden – und auf dem Weg in eine Klinik gestorben.

Später löschte der Helfer den Facebook-Eintrag wieder – und tauchte einen Tag lang unter. Er war weder für die MitarbeiterInnen von „Moabit hilft!“ noch für die Polizei und erst recht nicht für Journalisten zu sprechen. Erst am Abend äußerste er sich gegenüber der Polizei und gab an, die Geschichte erfunden zu haben. Sein Motiv ist weiter unklar.

So glaubhaft

„Wir sind sehr erleichtert darüber, denn niemand ist zu Schaden gekommen ist. Aber auch fassungslos über das Geschehene“, teilte die Freiwilligenorganisation „Moabit hilft!“ am späten Abend auf Facebook mit. Man habe den Helfer „in den vergangenen Monaten als verlässlichen und integren Unterstützer kennengelernt“. Seine Schilderung des Todesfalls sei auch deswegen so glaubhaft erschienen, weil man vor dem Lageso jeden Tag kranke, entkräftete Menschen treffe, die seit Tagen, manchmal Wochen, in Kälte und Nässe dort anstehen.

Am Donnerstagvormittag sagte eine Sprecherin weiter: „Wir haben da auf Deutsch gesagt echt Mist gebaut.“ Es sei ein Fehler gewesen, die Nachricht des Helfers ungeprüft zu verbreiten.

Auch Abgeordnete der Berliner Oppositionsparteien Grüne, Linke und Piraten sagten am Mittwoch vor Ort, dass es sie nicht überrascht hätte, wenn der Fall stimmen würde. Ihr seien aus eigener Anschauung Fälle bekannt, in denen es für Flüchtlinge sehr eng gewesen sei, sagt etwa Canam Bayram (Grüne).

Das Lageso und der dafür verantwortliche Berliner Sozialsenator Mario Czaja (CDU) stehen bereits seit dem Sommer immer wieder in der Kritik, weil hunderte Flüchtlinge dort bei Wind und Wetter vor dem völlig überlasteten Amt warten müssen. Mittlerweile stehen aber große Wartezelte vor dem Amt. Auch die ärztliche Versorgung vor Ort wurde verbessert.

Vertrauen zerstört

Bereits am Mittwochnachmittag hat Diana Henniges von „Moabit hilft“ gesagt, es sei eine Katastrophe, wenn sich herausstelle, dass die Geschichte falsch sei. Dadurch werde das für ihre Arbeit notwendige Vertrauen gegenüber den freiwilligen Helfern zerstört.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) forderte mittlerweile rechtliche Konsequenzen. „Das ist eine der miesesten und perfidesten Aktionen, die ich jemals erlebt habe“, teilte Henkel am Donnerstag mit. „Berlins Behörden mussten über Stunden mit hohem Aufwand nach einem erfundenen „LaGeSo-Toten“ suchen.“

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