Anette Hüsch über Museumskooperationen: "Wir wollen einander bereichern"

Anette Hüsch, Leiterin der Kieler Kunsthalle, über Geldnot und eigene Bestände, die Konkurrenz zwischen den norddeutschen Häusern, Events und die begehrten Kreuzfahrt-Passagiere.

"Wir erfahren sehr breite Unterstützung": Anette Hüsch, Direktorin der Kieler Kunsthalle. Bild: dpa

taz: Frau Hüsch, Sie zeigen derzeit zwei Ausstellungen aus der eigenen Sammlung. Ist das eine Verzweiflungstat, weil Sie sich nicht leisten können etwas einzukaufen?

Anette Hüsch: Nein. Christian Rohlfs ist weit davon entfernt, eine Verzweiflungstat zu sein. Wir haben den weltweit größten Bestand zu diesem Künstler, und das meiste davon wurde noch nie gezeigt.

Hinter immer mehr Ausstellungen aus eigenen Beständen steckt doch allerorten die Finanznot.

Man muss differenzieren: Einerseits ist die Sammlung ein positiver Fundus, den die Menschen hier vorzufinden wünschen. Dieser Fundus macht ja den Charakter der eigenen Sammlung aus und ist so etwas wie das kulturelle Gedächtnis der Stadt. Mit der Sammlung zu arbeiten ist also aus programmatischen Gründen wichtig und hat mit Geldnot zunächst mal nichts zu tun Trotzdem weiß jeder Museumsdirektor, dass man auch Wechselausstellungen braucht, um Menschen ins Haus zu locken.

Haben Sie einen Ankaufs- und Ausstellungsetat?

Wir haben einen Gesamtetat – wobei Heizkosten und Gebäudeunterhaltung schwanken. Letzteres ist in einem Haus, das über 100 Jahre alt ist, ein zentrales Thema. Aus all diesen Gründen schwankt unser Ausstellungsetat. Für Ankäufe sind wir auf den Stifterkreis der Kunsthalle und andere Stiftungen angewiesen.

Hat die Kieler Kunsthalle ein ähnliches strukturelles Defizit wie die in Hamburg?

Nein. Es gibt kleine Schwankungen, aber die Kieler Kunsthalle ist nicht überschuldet.

Welches ist das Alleinstellungsmerkmal Ihres Hauses?

Seine Mehrgliedrigkeit. Die Kunsthalle ist eigenständiges Uni-Institut und beherbergt zudem den Schleswig-Holsteinischen Kunstverein, der älter ist als die Kunsthalle, aber hier seinen Sitz und seine Sammlung hat. Außerdem beherbergen wie die bürgerliche Sammlung der Kunsthalle, die seit dem 19. Jahrhundert angelegt wurde.

Kein Besucherschwund?

Das werde ich erst in ein paar Jahren sagen können. An meinem ersten Arbeitstag im November 2011 wurde wegen der Baustelle der Haupteingang geschlossen, und das für 18 statt sechs Monate. Außerdem war der Wechselausstellungsbereich mehrere Wochen wegen Brandschutzmaßnahmen geschlossen. In dem Jahr waren die Zahlen schwächer als im Jahr zuvor – das wegen der extrem gut besuchten Pechstein-Ausstellung alle Rekorde brach. Aber nach dem allgemeinen Trend müssten Sie mich nochmal in zwei Jahren fragen. Grundsätzlich ist Kiel natürlich ein weniger touristischer Ort als Hamburg oder Berlin. Da muss man sich schon eigens auf den Weg machen.

Jagen die norddeutschen Museen sich gegenseitig das Publikum ab?

Das glaube ich nicht. Zwar fahren die Kieler durchaus nach Hamburg, um sich dort Ausstellungen anzugucken. Aber für eine echte Konkurrenz ist die Norddeutsche Museumslandschaft zu disparat. Da tut eher Kooperation not. Deshalb haben wir ein regelmäßiges Treffen schleswig-holsteinischer Museumsdirektoren eingeführt: um zu überlegen, wie wir einander bereichern können.

Also eine gemeinsame Eintrittskarte für alle Museen der Region?

So etwas gibt es seit anderthalb Jahren in Kiel. Acht Kieler Häuser haben sich zu einer Art Museumsmeile zusammengeschlossen, die künftig ein Kombi-Ticket anbieten und thematische Führungen durch mehrere Häuser und „Events“ anbieten wird. Solche Veranstaltungen müssen wir immer wieder generieren, um Menschen ins Haus zu ziehen, die sonst vielleicht nicht kämen.

Von Hamburger Museumsdirektoren ist zu hören, Events wie die dortige „Nacht der Museen“ brächten keine Dauerbesucher.

Ich glaube auch, dass die meisten Besucher des „Museen am Meer“-Tages in Kiel wirklich nur dorthin kommen.

40, studierte Kunstwissenschaft und Medientheorie, Philosophie und Ästhetik in Karlsruhe. Promotion und Auslandsaufenthalte in Los Angeles und am Massachusetts Institute of Technology. 2004-2006 Assistentin bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Seit 2011 Leiterin der Kieler Kunsthalle.

Wie locken Sie die skandinavischen Kreuzfahrt-Touristen, die täglich in Kiel anlanden, in die Kunsthalle?

Unser Verbund versucht gerade herauszufinden, wie das funktionieren kann. Dieses Publikum ist hochkomplex, weil es da unendlich viele Sparten gibt: Einige gehen hier an oder von Bord, andere haben einen Stop-Over von nur zwei oder vier Stunden, bevor sie weiterfahren. Die Diskussion, wie diese Menschen zu erreichen sind, hat gerade erst begonnen.

Branden in Kiel eigentlich ähnliche Schließungsdiskussionen hoch wie in Hamburg?

Die Stadtgalerie stand eine Zeit lang sehr auf der Kippe. Das hat sich jetzt erstmal beruhigt, und ich bin froh darüber. Wir brauchen mehr Kunst-Orte als die Kunsthalle, und da sehe ich auch keine Konkurrenz. Die Kunsthalle selbst ist in der komfortablen Lage, dass sie Teil der Universität ist und somit ein anderes Standing hat. Wir erfahren sehr breite Unterstützung – vom Stifterkreis, dem Kunstverein, von Künstlern von nah und fern. In ihrer Existenz gefährdet war die Kunsthalle deshalb bisher nie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.