Analyse Deutschland - Algerien: Deutschland spielt 1-4-3-3

Die erste Halbzeit gegen Algerien war ein spielerischer Offenbarungseid. Trotzdem ist das Team mit dem späten Sieg in der Verlängerung zufrieden.

Auch außerhalb des Sechzehners aktiv: Manuel Neuer als Ausputzer. Bild: reuters

PORTO ALEGRE taz | Wenn man die einzelnen Puzzleteile einer Partie wieder so zusammenlegen kann, wie man möchte, kann erstaunlicherweise alles wieder einen Sinn ergeben. So war es auch am Montagabend, als Toni Kroos die Begegnung analysierte. Eigentlich hatte ja bei den Deutschen in der ersten Halbzeit der Achtelfinalpaarung gegen Algerien fast gar nichts zusammengepasst. Einzelne lose Distanzschüsse waren zu verzeichnen, aber keine ineinandergreifende Angriffsbemühungen.

Das räumte Kroos auch freimütig ein. Aber er hatte dennoch eine Erklärung für den Zittersieg nach Verlängerung zu bieten, welche die erschreckend schwache erste Hälfte mit einbezog. „Das Ballgeschiebe mag manchmal nicht so attraktiv aussehen. Aber so uneffektiv ist das nicht“, sagte er. „Die anderen müssen hinterherlaufen. Am Ende als es in die Verlängerung ging, waren die Algerier ziemlich platt.“

Die größeren Kraftreserven in der Schlussphase verleiteten Benedikt Höwedes dazu, den 2:1 Erfolg als Sieg des Willens zu bezeichnen. Und Bundestrainer Löw stellte die Ereignisse von Porto Alegre in einen Zusammenhang, der über die Partie noch hinausreichte: „Solche Spiele muss es in einem Turnier auch geben, wo man sich durchkämpfen muss.“

All diese Erklärungen beschönigten die Wirklichkeit aber doch um einiges. Nicht umsonst war Torhüter Manuel Neuer nach der Partie der gefragteste Mann. Unter anderem die Fehler von Mario Götze, Mesut Özil und Toni Kroos im Aufbauspiel stellten ihn immer wieder vor schwere Entscheidungen, weil die Algerier mit ihren schnellen Spitzen ein gekonntes Umschaltspiel vortrugen.Der flinke Islam Slimani sorgte stets für Gefahr. „In der ein oder anderen Situation, musste ich Kopf und Kragen riskieren, aber das ist auch mein Spiel“, sagte Neuer. Einfach, sagte er, sei das nicht. Man wüsste ja nie, ob man wirklich noch rankomme.

Auf der Torlinie waren Neuers Qualitäten an diesem Abend gar nicht gefragt. Im Grunde nahm er die Rolle eines Feldspielers, genauer gesagt die eines Ausputzers, ein. Die Deutschen spielten in einer Art 1-4-3-3 Formation. Die ungewollte Uraufführung eines neuen taktischen Systems.

Neuer mag Nässe

Von einer Wiederholung ist dringend abzuraten. Neuers Antizipationsfähigkeiten waren nämlich von Umständen begünstigt, die man schlecht einplanen kann. Wenn der Rasen so nass sei, erklärte der 28-Jährige, könne man den Ball viel besser berechnen. In Porto Alegre hatte es die ganze Nacht vor dem Spiel geregnet. Auf trockenen Halmen, so Neuer, bleibe der Ball manchmal früher und unvorhersehbarer stecken.

Womöglich war also der Dauerregen für diese Achtelfinalpaarung ausschlaggebender als der Ballbesitzfußball, die Fitness oder die Kraft des Willens. Es dürfte sinnvoll sein, sich mehr mit den Mängeln des eigenen Spiels zu beschäftigen als sich allzu sehr auf die eigene Schulter zu schlagen. Dass die Ineffizienz der Torchancenverwertung in der zweiten Halbzeit die DFB-Elf in die Verlängerung zwang, könnte sich im Viertelfinale gegen Frankreich negativ auswirken. Neuer sagte: „Das ist sicher ein Nachteil.“ Man müsse sich möglichst schnell und professionell regenerieren.

Per Mertesacker verbat sich all die kritischen Nachfragen. Er sei einfach nur glücklich, dass man im Viertelfinale gegen Frankreich steht. Diese Freude wollte ihm aber eigentlich auch keiner nehmen.

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