Amtsgericht verhandelt „Containern“: Vorwurf: Einbruchsdiebstahl!

In Hessen stehen drei Studenten wegen Diebstahl von abgelaufenen Lebensmitteln vor Gericht. Ein Urteil gab es noch nicht, der Prozess wurde vertagt.

Das Gericht muss entscheiden, ob Selbstbedienung in der Abfalltonne als Diebstahl zu werten ist. Bild: imago/Sabine Gudath

GÖTTINGEN taz | Wegen des „Containerns“ von Lebensmitteln müssen sich seit Dienstag drei Studierende aus dem hessischen Witzenhausen vor dem Amtsgericht Eschwege verantworten. Die Anklage wirft ihnen vor, aussortierte Lebensmittel gestohlen zu haben.

Die jungen Leute waren im Juni vergangenen Jahres mit Lebensmitteln – darunter 32 Laibe Brot und andere Backwaren - im Auto von der Polizei angehalten worden. Die Beamten beschlagnahmten die Waren und leiteten ein Verfahren ein. Der Vorwurf: schwerer Einbruchdiebstahl.

Die Beschuldigten sollen eine Absperrung überwunden und die Lebensmittel vom dahinterliegenden Gelände des örtlichen „Tegut“-Supermarktes gestohlen haben. Augenzeugen dafür gibt es allerdings nicht, auch die Angeklagten schweigen dazu. Sie bekennen sich aber zum Prinzip des sogenannten „Containerns“, also des Mitnehmens von weggeworfenen Lebensmitteln aus den Containern von Supermärkten.

Die fraglichen Waren sollen nach Angaben einer Sprecherin des Marktes für die Witzenhäuser Tafel bestimmt gewesen sein, die mehrere hundert Bedürftige in der nordhessischen Kleinstadt versorgt. Das Verfahren sei von Amts wegen in die Wege geleitet worden, „Tegut“ habe keine Anzeige erstattet, sagte sie.

Später stellte sich heraus, dass das Unternehmen die Studenten doch selbst angezeigt hatte. „Tegut“ ist mit Märkten vor allem in Nordhessen und Südniedersachsen vertreten, verkauft auch Bio-Lebensmittel und bedient mit dem Angebot vor allem Kundschaft aus der Mittelschicht.

Zu Beginn der Verhandlung am Dienstag stellten die Anwälte der Angeklagten einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Alexander Wachter. Der hatte in seiner Funktion als Sprecher des Gerichts vorab einem Journalisten gesagt, dass die Waren von „Tegut“ stammten: „Es konnten Waren identifiziert werden, die für die Tafel bestimmt waren“. Eine andere Richterin wies den Antrag ab.

Weitere Zeugenaussagen beantragt

Ein Marktmitarbeiter und die beiden Polizisten, die das Auto im Sommer gestoppt hatten, konnten am Dienstag nicht viel zur Aufklärung beitragen. Insbesondere die Frage, ob die Lebensmittel zum Wegwerfen oder für die Tafel bestimmt waren, blieb offen. Die Verteidigung hat nun die Vernehmung weiterer Zeugen beantragt.

Mit mehreren Demonstrationen hatten Unterstützer der Angeklagten in den vergangenen Wochen auf das Verfahren und die Hintergründe aufmerksam gemacht.

Die Aktionen richteten sich auch gegen Lebensmittelverschwendung und für die Legalisierung des „Containerns“. Zu Prozessbeginn protestierten rund 80 Aktivisten mit einer Kundgebung, einem „Containerfrühstück“, Trommeln und Samba-Musik vor dem Eschweger Gericht. „Wir sind keine Schwerverbrecher, sondern Lebensmittelrächer“, skandierten die Demonstranten. Auch die Polizei war mit etwa 30 Beamten vor Ort.

Ein Urteil erging am ersten Prozesstag nicht: Nach etlichen Unterbrechungen und ersten Zeugenanhörungen vertagte sich das Amtsgericht der nordhessischen Stadt auf den 20. Februar.

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