Amazon und die Briefkastenfirmen: Innovativ bei der Steuervermeidung

Mit trickreicher Verschiebung der Gewinne drückt Amazon seine Steuern. Helfen würde eine „Gesamtkonzernsteuer“.

Amazon-Logo an einer Wand

14 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr in Deutschland und maximal 50 Millionen Euro Steuern Foto: reuters

BERLIN taz | Dass der Internet-Handelskonzern Amazon vom Axel-Springer-Verlag für sein „visionäres Unternehmertum“ ausgezeichnet wird, ist bei den Globalisierungskritikern von Attac und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit auf scharfe Kritik gestoßen. „Innovativ ist Amazon vor allem bei der Entwicklung neuer Steuervermeidungsstrategien“, sagte Christoph Trauvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit am Dienstag bei der Vorstellung einer Studie über Unternehmensteuern in Deutschland.

Laut der Studie, die von der IG-Metall-nahen Otto-Brenner-Stiftung herausgegeben wurde, nutzt Amazon dabei ähnliche Methoden wie andere internationale Großkonzerne, um seine Steuern zu minimieren. So fließt ein Großteil der Gewinne der europäischen Tochtergesellschaften von Amazon in Form von überhöhten Verrechnungspreisen für die Nutzung von Software, Markennamen und Kundendaten an eine Gesellschaft in Luxemburg.

Bis 2016 war das eine Briefkastenfirma, die praktisch gar nicht besteuert wurde, berichtete Trauvetter. Seit die EU diese Konstruktion für unzulässig erklärt hat, fließen die Gewinne an eine operative Gesellschaft in Luxemburg. Diese wies laut Studie für 2016 eine Steuerquote von 9 Prozent aus. Das Unternehmen selbst hat in der Vergangenheit erklärt, man halte sich an die bestehenden Gesetze.

Dennoch entgeht dem deutschen Staat durch die Steuergestaltung von Amazon viel Geld. Wie viel genau, lässt sich nur schätzen, weil viele dafür erforderlichen Daten – etwa der Gewinn, den Amazon mit deutschen Kunden erzielt – nicht bekannt sind. Öffentlich ist lediglich der Umsatz in Deutschland, der mit 14 Milliarden Euro etwa 10 Prozent vom Gesamtumsatz ausmacht. Wenn entsprechend auch 10 Prozent des Gewinns in Deutschland anfallen und hier versteuert würden, müsste Amazon etwa 200 Millionen Euro zahlen, sagte Trauvetter – und nicht die maximal 50 Millionen Euro, die tatsächlich nach Deutschland fließen.

Karl-Martin Hentschel, Attac

„Umsätze und Gewinne müssen am Standort des Kunden versteuert werden“

Um das zu erreichen, müsse das internationale Steuerrecht grundlegend geändert werden, forderte Attac-Steuerexperte Karl-Martin Hentschel am Dienstag. „Statt die diversen Betriebsteile getrennt zu betrachten, brauchen wir eine Gesamtkonzernsteuer“, sagte er. Dabei würden die weltweit anfallenden Gewinne anhand von Umsätzen, Investitionen und Beschäftigtenzahl auf die Länder verteilt, in denen ein Unternehmen aktiv ist.

Nach 16 Jahren Diskussion in der EU sei es Zeit, die Blockade bei diesem Thema endlich zu beenden“, sagte Hentschel. „Umsätze und Gewinne von Handelsfirmen müssen am Standort des Kunden versteuert werden – und nicht am Standort einer Briefkastenfirma oder des Servers.“ Das trage auch dazu bei, die Besserstellung von internationalen Konzernen wie Amazon im Vergleich zu örtlichen Händlern abzubauen. Daneben fordert Attac EU-weite Mindestsätze für Unternehmenssteuern.

Die Autoren der Studie der Otto-Brenner-Stiftung schlagen zudem die Einführung eines „Steuer-Siegels“ vor, das das strukturelle Steuervermeidugnsrisiko einzelner Unternehmen bewertet. Dadurch würden der kritischen Öffentlichkeit Instrumente an die Hand gegeben, um die Steuerpraxis von Unternehmen zu analysieren und gegebenenfalls Druck innerhalb der Zivilgesellschaft aufzubauen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.