Alljährliche Tagung des Volkskongresses: Chinas Führung macht auf öko

Chinas Staatsführung erklärt der Umweltverschmutzung den „Krieg“ und will handeln. Auch, wenn dadurch die Wirtschaft langsamer wächst.

„Fast unbewohnbar für menschliche Wesen“: Peking Bild: dpa

PEKING taz | Einen Öko als chinesischen Premier? Angesichts der Smogbilder aus Peking und anderen chinesischen Städten ist das kaum vorstellbar. Dennoch wird die chinesische Regierung derzeit von einem Mann geführt, der wie keiner vor ihm den Umweltschutz in den Vordergrund rücken will. „So wie wir der Armut den Kampf angesagt haben, erklären wir auch der Umweltverschmutzung den Krieg“, kündigte er letzte Woche zum Auftakt des Nationalen Volkskongresses an – Chinas einmal jährlich tagenden Scheinparlaments.

Damit erklärt Li den Umweltschutz ganz offiziell zur Staatsdoktrin. Was das ganz konkret heißt? Zunächst einmal, dass sich jeder Parteisekretär in den kommenden Monaten ausgiebig mit Feinstaubwerten und verunreinigten Lebensmitteln beschäftigen muss.

Doch Li weiß: Das wird nicht genügen. Nicht nur die Luft in China ist angesichts der oftmals mit Kohle betriebenen Schwerindustrie und den Abgasen der Autos gewaltig verschmutzt, sondern auch der Boden und die Gewässer. Wie das chinesische Umweltministerium zugibt, sind rund die Hälfte aller großen Seen verschmutzt. Um das Grundwasser steht es noch schlechter. Eine Fläche von der Größe Niedersachsens ist so verseucht, dass dort auf absehbare Zeit nichts mehr angebaut werden darf.

Der massive Smog erfasst inzwischen ein Gebiet, in dem fast eine Milliarde Menschen leben. Die 8012/index.jhtml:Akademie der Sozialwissenschaft hat im Februar in einer Studie festgestellt, dass die extreme Schadstoffbelastung Chinas Hauptstadt Peking „fast unbewohnbar für menschliche Wesen“ mache. Einige Städte im Kohlegürtel trifft es noch sehr viel schlimmer. Der Zustand der Umwelt ist laut Umfragen inzwischen das Thema, das die Chinesen am meisten sorgt.

Investitionen in erneuerbare Energien

Zu den Maßnahmen, die Li ankündigte, gehört, dass in diesem Jahr mindestens 50.000 kohlebefeuerte Anlagen stillgelegt werden und weiter massiv in Wind-, Solar- und Wasserkraft investiert werden soll. Außerdem wies er an, rund sechs Millionen Autos mit besonders schlechten Abgaswerten von den Straßen zu beseitigen. Damit setzt die chinesische Führung endlich auch an der Autoindustrie an, die bisher geschont wurde.

Ein weiterer Meilenstein: Premier Li spricht erstmals von einer Reform der Strompreise. Derzeit gilt in China ein Einheitspreis für Strom – ein Relikt aus den Zeiten, in denen in China noch Einheitslohn herrschte und auch die Bauern auf dem Land in den Genuss von günstigem Strom kommen sollten.

Doch inzwischen lebt die Hälfte der chinesischen Bevölkerung in Städten und ist zur Mittelschicht aufgestiegen. Für ihre Verhältnisse ist der Strom mit rund 7 Cent pro Kilowattstunde billig – und spornt nicht zum Stromsparen an. Auch die Unternehmer zeigen bislang nur wenig Interesse, in effizientere Maschinen zu investieren.

Wichtiger als Wachstum

Dass Li nun an der Preisschraube dreht, könnte auch in China die dringend notwendige Energiewende einläuten. Die Umweltstiftung WWF hält es für möglich, dass „China bis 2050 rund 80 Prozent seiner Energie aus klimafreundlicher Technologie bezieht und Kohle gar keine Rolle mehr spielt“.

Premier Li hat ein weiteres entscheidendes Zeichen gesetzt. In seiner Rede gab er für 2014 ein Wachstumsziel von 7,5 Prozent vor. Das ist so wenig wie zuletzt 1999. Auch das ist ein wichtiges Signal: Nicht mehr hohe Wachstumsraten stehen im Vordergrund, sondern Chinas geschundene Umwelt.

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