Ärger beim Fliegen: Einheitlicher Schlichter

Kofferverlust, Verspätungen, Umbuchungen? Bald wird alles besser: Die Airlines einigen sich nach langem Ringen auf eine gemeinsame Beschwerdestelle.

Warten auf den Abflug. Bild: imago/images

Ob Kofferverlust, Verspätung, Umbuchung oder verpasste Anschlussflüge – für geschädigte Reisende ist es bisher oft mühsam und teuer, ihre berechtigten Ersatzansprüche gegen häufig widerwillige Fluggesellschaften durchzusetzen. Ab 1. November wird sich das ändern. Dann sind Airlines verpflichtet, ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren durchzuführen. Das erspart Verbrauchern viel Zeit, Ärger und Kosten.

Lange Zeit konnte sich die Flugbranche nicht auf ein einheitliches Verfahren verständigen. Doch nun ist der Durchbruch gelungen. Die unabhängige Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin soll auch für Flugreisende die Schlichtung übernehmen. „Das ist eine gute Nachricht“, sagt SÖP-Chef Heinz Klewe. Man habe sich mit den Branchenverbänden BDL, BDF und Barig geeinigt, dass deren in-und ausländische Mitglieder dem Trägerverein beitreten und sich am Schlichtungsverfahren beteiligen. Klewe verspricht Unternehmen und Verbrauchern „eine Schlichtung mit Augenmaß“.

Die drei Verbände bestätigen in einer gemeinsamen Mitteilung die Einigung. Kunden bekämen nun die Möglichkeit, Beschwerden auch außergerichtlich zu klären“, erklärte BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch. Barig-Generalsekretär Michael Hoppe sagte, man habe den Mitgliedern empfohlen, der SÖP beizutreten.

Die Regelung: Seit vielen Jahren regelt die EU-Verordnung 261/2004, dass Passagiere sich bei gestrichenen oder überbuchten Flügen den Ticketpreis erstatten lassen oder einen Ersatzflug verlangen können. Bei Verspätungen ab drei Stunden gibt es als Ausgleich 250 Euro (Flüge bis 1.500 Kilometer), 400 Euro (bis 3.500 Kilometer) oder sogar 600 Euro (Langstrecken).

Schadensberechtigt: Auch bei Kofferverlust, Falschinformationen und schlechtem Service können unter bestimmten Bedingungen Ersatzansprüche geltend gemacht werden, die erst nach drei Jahren verjähren. Nur bei Flugplanstörungen wegen Naturkatastrophen, schlechten Wetters und Streiks müssen Airlines von vornherein nicht zahlen.

Private Rechtshilfe: Verärgerte Flugreisende, die teure Klagen scheuen, können sich auch an private Unternehmen wie EU-Claim, Fairplane oder Flightright wenden, die erfolgversprechende Fälle durchfechten. Dafür werden bis zu 30 Prozent Erfolgshonorar fällig. Falls es kein Geld gibt, muss der Kunde nichts zahlen.

EU-Vorstoß: Die EU-Kommission will die Fluggastrechte ändern. Verbraucherschützer warnen, dass Verschlechterungen drohen und fast drei Viertel der Betroffenen künftig ihre Ansprüche verlieren würden. So soll es innerhalb Europas erst ab fünf statt bisher drei Stunden Entschädigungen geben. Und wer mehr als 6.000 Kilometer unterwegs ist, bekäme sogar erst bei mehr als zwölf Stunden Verspätung einen Ausgleich.

Damit gibt es künftig eine einzige gemeinsame Anlaufstelle für alle Reisenden, die Beschwerden haben und Entschädigung wollen. Die SÖP gilt als bewährte Institution, die bereits für alle Bahn-, Bus- und Schiffsreisenden und mehr als 200 Unternehmen Streitfälle erfolgreich schlichtet. Für den Verbraucher ist das Verfahren kostenlos – und anders als das Unternehmen ist der Kunde nicht verpflichtet, den Vorschlag des Schlichters anzunehmen. Der Klageweg steht dem Betroffenen weiter offen.

Grundsätzlich müssen sich die Geschädigten jedoch zunächst an das betreffende Verkehrsunternehmen wenden und versuchen, dort ihre Ansprüche geltend zu machen. Falls dabei kein zufriedenstellendes Ergebnis herauskommt, können nun erstmals auch Flugreisende bei der Berliner SÖP solche Streitfälle außergerichtlich und kostenfrei klären lassen.

Wichtig dabei: Der neue Schlichtungsanspruch gilt nur für private Flüge ab dem 1. November 2013, die in Deutschland starten oder landen. Rund 3.500 Altfälle, die bereits bei der SÖP liegen, sind noch immer ungeklärt, weil zahlreiche Airlines die außergerichtliche Schlichtung verweigerten. Schon die Teilnahme bei der früheren Schlichtungsstelle Mobilität, von der Bundesregierung gefördert, lehnten Lufthansa, Air Berlin & viele andere Anbieter ab.

Entschädigungen entgehen

Nach Schätzung von Experten lassen sich die Bundesbürger jedes Jahr stattliche Entschädigungen entgehen, weil die Ansprüche nicht durchgesetzt werden. Laut einer Studie von der Firma EU-Claim, die Ansprüche für Geschädigte gegen Entgelt durchsetzt, sind täglich in Deutschland durchschnittlich 33.000 Fluggäste von Verspätungen um mehr als 30 Minuten betroffen. Die Organisation Flightrights hat errechnet, dass in einem Jahr 1,3 Millionen Passagiere stark verspätet ankamen und deshalb 665 Millionen Euro auf Entschädigung gehabt hätten.

Einen ersten Durchbruch konnte SÖP-Chef Klewe im Frühjahr erzielen. Ausgerechnet der Billigflieger Ryanair, der immer wieder durch rüde Geschäftsmethoden in die Schlagzeilen geriet, trat im März als erste Airline der SÖP bei und akzeptiert die Schlichtungsvorschläge. Als vorbildlich bei Streitfällen gilt die Deutsche Bahn, die sich seit Jahren an den außergerichtlichen Schlichtungsstellen im Interesse ihrer Kunden beteiligt hat.

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