Adbusting in Köln: Geben und Nehmen

Der Streetart-Aktivist Dies-Irae animiert die Kölner Kulturszene zur Rückeroberung des öffentlichen Raums. Und gibt ihr die Werkzeuge.

Teil einer Ausstellung

In der Kölner Innenstadt: Dies Irae, Propaganda, 2017 Foto: Sebastian Pohl

Wer kennt sie nicht, die oftmals bunt im Kleinformat bedeckten Kultur-Liftfaßsäulen und Reklametafeln, die vor allem mit den Botschaften regionaler Institutionen und Vereine an vielen Stellen das Stadtbild geprägt haben.

Sie werden heute zunehmend durch großformatige Plakatwände verdrängt, die teils grell beleuchtet hinter Glas sowie in digitaler Form an unzähligen Haltestellen und vielen anderen Orten anzutreffen sind.

Die Stadt Köln erkannte das Potenzial der klassischen Litfaßsäule und initiierte, zusammen mit Ströer, dem wohl bekanntesten Konzern der Sparte, eine bis dahin deutschlandweit einmalige Zwischennutzung, die „Kunstsäulen“, mit der Intention, in Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern einem breiten Publikum bildende Kunst auch an Orten zugänglich zu machen, an denen man sie weder kennt noch erwartet.

Doch der öffentliche Raum wird zunehmend begehrt, so dass die gemeinnützigen Werbeträger auch hier immer mehr den kommerziellen Interessen der Werbeindustrie weichen müssen. Deutschlands größter Anbieter für Außenwerbung Ströer entfernt seit geraumer Zeit die letzten verbliebenen, öffentlichen „Werbe-Bühnen“ für Kunst und Kultur.

Mehr öffentlicher Kunst im Kölner Stadtbild

Dagegen setzt sich die Kölner Kulturszene unter anderem mit der Onlinepetition „Erhalten Sie die Ströer-Litfaßsäulen (Kunstsäulen) in Köln / Art Initiatives Cologne – AIC“ zur Wehr. Auch das städtische Kulturamt betont den Wunsch nach mehr öffentlicher Kunst im Kölner Stadtbild und sieht in den Kunstsäulen einen nachhaltigen öffentlichen Mehrwert.

Einen anderen Weg, sich für alternative Konzepte, gemeinnützige Inhalte und subversive Ideen im öffentlichen Raum Gehör zu verschaffen hat der Kunstaktivist Dies-Irae eingeschlagen, der durch seine unzähligen Adbusting-Interventionen gegen die Tabakindustrie und vor allem durch seine unautorisierte Plakatkampagne gegen rechts an Bushaltestellen in Freital einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde.

Eine Hand hält ein Werkzeug

Die Instrumente zum Öffnen der Vitrinen: Dies-Irea, Torx, 2017 Foto: Sebastian Pohl

Bezugnehmend auf die Kölner Petition, kaperte Dies-Irae in den vergangenen Tagen gezielt eine Vielzahl von Werbevitrinen an prominenten Orten in Köln – unter anderem am Neumarkt – und ruft mit seiner Intervention Kunst- und Kulturschaffende mit Slogans wie „Art Not Ads“ oder „What Better Place Than Here?“ zur Rückeroberung des öffentlichen Raums auf.

In diesem Zusammenhang zeigen einige der in mühevoller Arbeit gefertigten Plakate auch das für die Rückeroberung benötigte handelsübliche Werkzeug. Mit Hilfe eines Torx 30 und eines 1/4-Zoll-4-Kant-Griffs müssen Künstlerinnen und Künstler für die gemeinnützige Präsentation ihrer Kunst nicht länger als Bittsteller gegenüber der Werbeindustrie auftreten und warten, dass ihnen Raum für ihre Kunst gegeben wird. Sie können sich den vor allem der Öffentlichkeit gewidmeten Raum selbst wieder aneignen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.