Abwehrsystem für die Türkei: Nato beschließt Patriot-Stationierung

Grünes Licht für Patriot: Russland kann die Nato-Hilfe für die Türkei nicht verhindern. Das Abwehrsystem wird an der Grenze zu Syrien verlegt.

Das Abwehrsystem Patriot im Test: Die Türkei möchte das Abwehrsystem zur Sicherung der Grenze. Bild: dpad/US Department of Defense

ISTANBUL dapd | Vor zwei Wochen hat die Türkei ihre NATO-Partner um militärische Hilfe gebeten, jetzt demonstriert das Bündnis Solidarität: Trotz russischer Bedenken gab die Allianz am Dienstag grünes Licht für die Verlegung mehrerer Luftabwehrsysteme an die Grenze zu Syrien.

„Wir setzen darauf, dass die Entsendung der 'Patriot'-Raketen auch eine präventive Wirkung hat und dazu beiträgt, dass ein Flächenbrand in der ganzen Region verhindert werden kann“, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Rande des Treffens mit seinen NATO-Kollegen am Dienstag in Brüssel. Moskau hatte sich bis zuletzt vergeblich gegen die Entsendung gestemmt.

Die eigentliche Verlegung der Raketenbatterien könne „binnen Wochen“ erfolgen, sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Die auf mobile Sattelschlepper montierten, radargestützten „Patriot“-Systeme müssen Diplomaten zufolge vermutlich auf dem Seeweg in die Türkei transportiert werden, daher die Verzögerung. Rasmussen rechnet damit, dass sowohl Deutschland als auch die Niederlande und die USA eigene Staffeln entsenden werden. Am Donnerstagmorgen wird das Bundeskabinett über die benötigte Mannstärke des Mandats beraten, damit der Bundestag schon nächste Woche grünes Licht geben kann.

Im Gespräch ist dem Vernehmen nach die Verlegung von bis zu zwei deutschen „Patriot“-Staffeln in die Türkei. 16 solcher Einheiten mit je acht Raketen könnten entsandt werden, hinzu käme dann wohl eine Begleitmannschaft mit insgesamt bis zu 170 Soldaten. Mit den Raketen können Flugzeuge, Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen bekämpft werden. Für die Abwehr kleiner Geschosse wie Mörsergranaten ist es dagegen nicht geeignet.

Lawrow lässt sich nicht von Rasmussen beschwichtigen

Rasmussen sandte umgehend beschwichtigende Signale gen Russland, das bislang bei jeder Gelegenheit die schützende Hand über das Assad-Regime gehalten und vor einer Aufrüstung in der Konfliktregion gewarnt hatte. Das Luftabwehrsystem diene einzig und allein defensiven Zwecken, um die Türkei und ihre Bevölkerung vor Raketen zu schützen, beteuerten der NATO-Generalsekretär und alle Außenminister unisono. Die Sicherung einer Flugverbotszone oder jegliche Offensivaktionen seien keinesfalls vorgesehen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich dennoch wenig erfreut. Die angebliche Bedrohung der Türkei durch die Gewaltbereitschaft des Regimes in Damaskus "sollte nicht übertrieben werden", sagte er beim NATO-Außenministertreffen am Dienstag in Brüssel. Zwar habe es syrische Artillerieeinschläge auf türkischem Boden gegeben, diese seien aber "nicht beabsichtigt" gewesen. Für die Behauptung, Syrien bereite gar den Einsatz chemischer Waffen vor, gebe es ohnehin keinerlei Beweise, sagte Lawrow.

Westerwelle zieht „rote Linie“ für Damaskus

Zuvor hatte Rasmussen mit einer "sofortigen Reaktion der internationalen Gemeinschaft" gedroht, falls Syrien chemische Kampfstoffe gegen die aufständische Opposition einsetzen sollte. Auch Westerwelle warnte das Regime von Präsident Baschar al Assad, diese "rote Linie" nicht zu überschreiten - andernfalls würden die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen.

Was genau das bedeute, wollte Westerwelle auf Nachfrage nicht sagen. Allerdings deutete er vage an, dass dann selbst Russlands Blockadehaltung im Weltsicherheitsrat möglicherweise bröckeln könnte. Bislang hatte Moskau zusammen mit China UN-Resolutionen zu Syrien stets verhindert. In Westerwelles Augen hätte der Einsatz von Chemiewaffen aber "eine andere Qualität - und das würde auch in der internationalen Gemeinschaft sicherlich zu einer sehr schnellen und gemeinsamen Reaktion führen, daran habe ich keinen Zweifel".

Schon 1991 und 2003 waren im Zuge der Irak-Kriege "Patriot"-Raketen in der Türkei stationiert worden, letztlich aber nicht zum Einsatz gekommen. Seit Wochen kommt es entlang der 911 Kilometer langen Landesgrenze mit Syrien zu Auseinandersetzungen. Höhepunkt war der Beschuss einer Siedlung auf türkischem Boden, bei dem Anfang Oktober fünf Menschen getötet wurden. Anschließend lieferten sich beide Seiten Artillerie- und Mörsergefechte über die Grenze hinweg.

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