Abtreibungsverbot in Chile: Oberstes Gericht lässt Ausnahmen zu

Bisher wurden Schwangerschaftsabbrüche in dem lateinamerikanischen Land mit Haft bestraft. Nun hat das oberste Gericht eine Reform genehmigt.

Menschen jubeln mit erhobenen Armen

GegnerInnen des Abtreibungsverbots feiern die Entscheidung des Gerichts Foto: reuters

BUENOS AIRES taz | Chile hat das absolute Abtreibungsverbot abgeschafft. Am Montag stimmte das Verfassungsgericht in Santiago für ein Reformgesetz, das einen Schwangerschaftsabbruch in drei Fällen erlaubt: Abtreibungen bei Gefahr für das Leben der Mutter, wenn der Fötus keine Überlebenschance hat oder nach einer Vergewaltigung stehen damit nicht mehr unter Strafe. Mit sechs zu vier Stimmen wiesen die Richter zwei Klagen des rechten Oppositionsbündnisses Chile Vamos gegen die Reform zurück.

Präsidentin Michelle Bachelet begrüßte die Entscheidung. „Die Abschaffung der Strafen für einen Schwangerschaftsabbruch in diesen drei Fällen ist ein Fundament des Schutzes und der Würde für alle Frauen in Chile“, sagte die Sozialistin.

Mit der Reform löst die in gut sechs Monaten aus dem Amt scheidende Präsidentin ein Wahlversprechen ein. Bereits 2015 hatte sie die Reform im Kongress eingebracht, die Umfragen zufolge rund 70 Prozent der Bevölkerung befürworten. Nach ständigem Hin und Her zwischen Abgeordnetenkammer und Senat war sie Mitte Juli angenommen worden – woraufhin Abgeordnete und Senatoren von Chile Vamos Verfassungsbeschwerden einlegten.

Seit Mittwoch vergangener Woche hatte das Gericht nun einen wahren Anhörungsmarathon hinter sich gebracht: 135 religiöse, feministische, bürgerliche und politische Organisationen und Gruppen äußerten sich in jeweils 10-minütigen Statements zur Reform. Auch VertreterInnen von Regierung und Opposition hatte das Gericht angehört.

Opposition will Entscheidung akzeptieren

Frauenrechtsorganisationen feierten die Entscheidung der Richter. „Wir sind sehr glücklich“, sagte Claudia Dides, die Vorsitzende der Stiftung „Miles für Sexual- und Reproduktionsrechte“. „Das ist ein großer Schritt. Vergleichbar mit dem Wahlrecht für Frauen haben wir jetzt das Recht, über unseren Körper selbst zu entscheiden, und Chile verlässt die Riege der weltweit jetzt noch verbleibenden sechs Länder, die Frauen kriminalisieren.“

Senator Hernán Larraín vom Oppositionsbündnis Chile Vamos dagegen rügte: „Nach diesem Urteil werden viele Unschuldige das Tageslicht nicht erblicken.“ Das Bündnis werde das Urteil respektieren, aber dessen Einhaltung strikt überwachen, so Larraín.

Claudia Dides, Stiftung „Miles“

„Chile verlässt die Riege der Länder, die Frauen kriminalisieren“

Enttäuscht zeigte sich auch Chiles katholische Bischofskonferenz. Ihr Vizepräsident Cristián Contreras sprach von einer furchtbaren Entscheidung des Gerichts. Sie sei offenbar von der „Ideologie des Todes“ beeinflusst worden.

Chile war bisher eines der letzten Länder Lateinamerikas, in denen Abtreibungen unter keinen Umständen erlaubt waren. Ein Gesetzesartikel, der seit 1931 Ausnahmen zugelassen hatte, wurde noch 1989 in den letzten Monaten der Pinochet-Diktatur abgeschafft. Seither wurden Schwangerschaftsabbrüche mit Gefängnisstrafen geahndet. Nach allgemeinen Schätzungen wurden dennoch jährlich rund 70.000 unerlaubte Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Ebenso strikt wie bisher in Chile ist das Abtreibungsverbot nur noch in Nicaragua, El Salvador, Honduras, Haiti, Malta und der Dominikanischen Republik.

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