Absurde Finanzen: Senat blockiert sich selbst

Hamburg erwirtschaftet so viel Überschuss, dass es die Mehrkosten für die Flüchtlinge locker bezahlen könnte. Nur stört das Finanzrahmengesetz.

Bis zu 700 Millionen Euro Überschuss. Für Flüchtlingsunterkünfte darf Hamburg das Geld nicht ausgeben. Foto: dpa

HAMBURG taz | Der Senat gibt mehr aus, nimmt noch mehr ein und hat doch ein Problem: Im laufenden Jahr wird er einige Hundert Millionen Euro mehr für Flüchtlinge ausgeben müssen. Zugleich wurde bekannt, dass er im ersten Halbjahr einen Haushaltsüberschuss von 700 Millionen Euro erzielt hat. Trotzdem wird er die Haushaltsmillionen in den Ressorts zusammenkratzen müssen. Denn die 700 Millionen Euro, wenn es dabei bleibt, darf er nicht für die Flüchtlinge ausgeben.

Grund dafür ist, dass sich Senat und Bürgerschaft 2012 mit dem Finanzrahmengesetz die Hände gebunden haben. Um das Ziel der Schuldenbremse – null Neuverschuldung ab 2020 – zu erreichen, dürfen die Ausgaben jedes Jahr um maximal 0,88 Prozent wachsen. Einnahmen, die darüber hinausgehen, werden zur Schuldentilgung verwendet. Im Gegenzug kann die Stadt in schlechten Jahren Kredite aufnehmen.

Der Aufwand für Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge ist zuletzt rasant gestiegen: Von 150 Millionen Euro 2013 über 300 Millionen 2014 bis zu 600 Millionen im laufenden Jahr, wie das Hamburger Abendblatt spekulierte. Anfang Juli rechnete der Senat in einer Drucksache damit, dass Hamburg dieses Jahr 10.000 Schutzsuchende unterbringen muss. Im ganzen Jahr davor waren es nur 6.000. Geht es 2015 so weiter wie im ersten Halbjahr, dürfte sich diese Zahl jedoch mehr als verdoppeln.

2015 will der Senat knapp 7.000 neue Plätze in der öffentlichen Unterbringung schaffen, von denen jeder knapp 25.000 Euro Investitionen kostet. Für gut 4.000 Plätze hat er sich 68 Millionen Euro gesichert, die vorübergehend aus dem Etat der Wirtschaftsbehörde gedeckt werden sollen. Den genauen Mehrbedarf für die laufende Betreuung der Flüchtlinge ermittelt der Senat gerade. In knapp zwei Wochen soll eine Drucksache dazu vorliegen.

Angekommen sind in Hamburg von Januar bis Juli mehr als 18.000 Schutzsuchende.

Die meisten von ihnen wurden nach dem „Königsteiner Schlüssel“ auf andere Bundesländer verteilt.

In Hamburg bleiben dürfen von den 18.000 Flüchtlingen erst mal rund 8.000.

Untergebracht werden mussten davon wiederum rund 7.000. Die anderen 1.000 kommen bei Verwandten oder Freunden unter. Für weitere 2.000 Menschen muss Hamburg noch einen Platz finden, bis klar ist, in welches Bundesland sie weiter verteilt wwwwerdewerden.

Bis Ende Juni gab es in der Stadt23.000 Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen.

Bis Jahresende sollen weitere 7.000 Plätze geschaffen werden.

Die Erhöhung aus dem vergangenen Jahr habe der Senat bereits eingepreist, „soweit es ich um laufende Kosten und nicht um Einmal-Ausgaben handelt“, sagt Finanzbehördensprecher Daniel Stricker. Damals habe der Senat das Geld durch Ersparnisse bei den Zinsen und Umschichtungen zusammengebracht.

So ähnlich könnte das auch in diesem Jahr laufen, sagt Jan Quast, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Er bezweifelt zudem, dass der Senat überhaupt so schnell dem wachsenden Bedarf der Flüchtlinge hinterherkommt: „Wo kriegen Sie denn heute einen Lehrer her, einen Sozialpädagogen?“, fragt er. Das Finanzrahmengesetz aufzuweichen, steht für ihn ebenso wenig zur Debatte wie für seinen Kollegen Anjes Tjarks von den Grünen.

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