Abschied von „De:Bug“: Ende der Selbstbeherrschung

„De:Bug“, das unersetzliche Magazin für „elektronische Lebensaspekte“, steht vor dem Aus. Zumindest als gedruckte Ausgabe.

Als Zeitung stirbt „de:bug“, online bleibt nicht nur das Logo erhalten. Bild: de:bug

Am 11. März ging ein Riss durch die Netzwerke der Medienlandschaft. De:Bug, das Magazin für „elektronische Lebensaspekte“, kündigte sein Ende an. „Nein, kein Witz. Zeit, Abschied zu nehmen“, hieß es auf der Webseite lakonisch. Dass die Nachricht innerhalb weniger Stunden Hunderte digitale Beileidsbekundungen auslöste, zeigt, Magazine können mehr sein als nur Informationsträger. Ein treuer Weggefährte und eine entschleunigende Orientierungshilfe in einer entropischen Welt, so wurde De:Bug irgendwann zum Bestandteil der eigenen Identität.

Das Ende der Zeitschrift ist nicht nur ein weiteres Anzeichen für den Verfall der deutschsprachigen Medienlandschaft. Es verkündet auch das Ende einer Utopie vom anderen, selbstbestimmten und besseren Leben. Eine Hoffnung, die Mitte der Neunziger, als De:Bug von Protagonisten aus der elektronischen Musik- und Computerszene gegründet wurde, vom Internet und seiner Verheißung einer dezentralen, antiautoritären Gesellschaft genährt wurde.

Damals schien die aufgelöste Grenze zwischen Arbeit und Freizeit noch kein neoliberales Projekt zur Mitarbeitermotivation, sondern ein neuer Lebensstil zu sein. „Wir wollten eine Zeitung, die unseren Alltag im Netz und die daraus entstehenden neuen Zusammenhänge abbildet“, sagt Sascha Kösch, Chefredakteur und De:Bug-Mitgründer.

Sein Magazin brachte kreative Köpfe aus unterschiedlichen Bereichen von Grafikdesign über Musik bis Theorie zusammen. Die zentrale Motivation hinter der 1997 gegründeten Zeitschrift findet sich bis heute in ihrem Untertitel: „Selbstbeherrschung“. Kösch formuliert es so: „Wir wollten es selbst machen. Themen setzen, an die wir glauben. Die Zukunft suchen, die wir haben wollen. Die Gegenwart da packen, wo es wehtut.“

Zwischen den Thesen

Und genau das ist den Machern bis zuletzt gelungen. Bis heute gibt es keine Publikation, die in vergleichbarer Weise gleichzeitig von Trends wie „Normcore“ und abseitigen deutschen Indie-Filmen wie „Totem“ berichtet. Wo einem bei der Lektüre zwischendurch Thesen begegnen wie: „Jeans, das Internet und der Tod machen alle Menschen gleich.“

Viele Leser werden De:Bug vor allem aufgrund seiner eigenwilligen Themen und der sprachlichen Chuzpe vermissen. Die kulturkritischen Texte über kleinteilige Modetrends, die diskursstarken Roundtable-Gespräche über den Zustand der deutschen Literatur oder der britischen Bassmusicszene, die absurd-anarchistischen Neologismen wie „Echtzeitgeist“ oder „Fickdeppenarschland“ aus Anton Waldts jeweils auf der letzten Seite abgedruckter Kolumne und die ausufernden Musikrezensionen von Kösch, in denen es vor „zerplatzenden Blasen der einhüllendsten Träume“ oder einem „satten krabbelnden Soul“ nur so wimmelt.

Der Trauergemeinde bleibt zumindest ein Rest Hoffnung. Denn online wird es zunächst weitergehen.

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