Abi-Desaster an Privatschulen: Unterrichten ohne Referendariat

Die Kontrollen von Privatschulen ist Ländersache – und sie ist häufig lax: weil das Personal fehlt – oder aus Eigennutz der Behörden.

Rasseln ungewöhnlich viele Schüler durchs Abitur, schauen alle hin. Ansonsten ist die Kontrolle von Privatschulen Ländersache. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein kompletter Jahrgang fällt Anfang Juli an einer privaten Fachoberschule in Schweinfurt durchs Abitur. Auch in Dresden rasseln wenig später Oberstufenschüler reihenweise durch die Reifeprüfung – ebenfalls an einer Privatschule. Seither stehen Einrichtungen in freier Trägerschaft im Fokus: Wie gut werden sie kontrolliert? Wer bürgt für die Qualität?

Im Grundgesetz heißt es vage: Private Schulen dürfen in der Ausbildung ihrer Lehrkräfte und in ihren Lehrzielen „nicht hinter öffentlichen Schulen“ zurückbleiben. Doch wie das sichergestellt wird, ist Ländersache – und die sind unterschiedlich streng.

Zum Beispiel bei Unterrichtsbesuchen. In Bayern und Sachsen etwa könnten Behördenvertreter den Schulen in freier Trägerschaft theoretisch jederzeit einen Besuch abstatten, einen konkreten Anlass braucht es nicht. Die Ministerien können auf Nachfrage allerdings keine Angaben machen, wie häufig sie tatsächlich kontrollieren.

Auch der Verband der Privatschulen kennt keine Zahlen. „Natürlich kann es nicht permanent Inspektionen geben, dafür fehlt in den Ministerien einfach das Personal“, sagt Ilka Hoffmann, bei der Bildungsgewerkschaft GEW für den Bereich Schule zuständig.

Keine Sexualkunde, keine Evolutionstheorie

Und nicht immer dürften die Behörden selbst ein Interesse daran haben, genau hinzusehen. In Bayern eröffnete die ultrakonservative Sekte „Zwölf Stämme“ 2006 eine eigene Schule für ihre Kinder – ohne Sexualkundeunterricht, ohne Evolutionstheorie im Lehrplan.

Das Kultusministerium stimmte zu – dafür hatte man dann immerhin den Ärger mit christlichen Schulboykotteuren vom Hals. Erst in diesem Jahr schloss das Land die Privateinrichtung, nachdem die einzige staatlich anerkannte Lehrkraft die Schule verlassen hatte.

Das Saarland gibt staatliche Schulen auf, wenn sie eine bestimmte Schülerzahl nicht erreichen. Die Eltern initiieren dann häufig selbst Privatschulen. Will man diese Engagierten nun durch strenge Kontrollen gegen sich aufbringen?

In Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind Unterrichtsbesuche in Privatschulen nur bei konkretem Anlass möglich. Solange sich Eltern oder Schüler also nicht beschweren, schaut auch niemand hin.

Auf eigene Gefahr

Ein Problem sieht das Kultusministerium in Kiel darin nicht: „Eltern schicken ihre Kinder bewusst nicht auf eine staatliche Schule. Sie wissen aber, dass dort auch mit anderen Konzepten gearbeitet wird“, sagt eine Sprecherin. Mit anderen Worten: Wer sein Kind auf eine Privatschule schickt, tut das nun einmal auf eigene Gefahr.

Freiheiten haben Privatschulen auch beim Personal: Ein Referendariat und ein zweites Staatsexamen sind für Lehrer an Privatschulen nicht zwingend. Es reicht, wenn sie vergleichbare Qualifikationen haben, etwa ein abgeschlossenes Fachstudium. Als pädagogische Ausbildung reichen je nach Bundesland einige Praxisjahre.

Waldorfschulen etwa werben um Quereinsteiger, die an eigenen Lehrerseminaren ausgebildet werden; das Curriculum dort folgt Kritikern zufolge aber oft mehr anthroposophischer Esoterik als seriöser Erziehungswissenschaft.

Welche Ausbildung die Kriterien erfüllt, liegt also im Ermessen der Sachbearbeiter, die eine Privatschule genehmigen. Manche Länder, darunter Baden-Württemberg, haben immerhin Quoten: Dort müssen zwei Drittel der Lehrer das zweite Staatsexamen haben.

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