Abgang einer Scientology-Gegnerin: "Man muss da permanent dran bleiben"

Sie leitete die bundesweit erste Arbeitsstelle, die sich ausschließlich mit der umstrittenen Scientology-Organisation befasste. Nach 20 Jahren geht Ursula Caberta nun in Ruhestand.

"Ich galt als nicht ganz pflegeleicht", sagt Ursula Caberta über sich. Bild: DPA

taz: Frau Caberta, die Arbeitsstelle Scientology und seit kurzem auch Ihr Arbeitsvertrag sind aufgelöst. Wie fühlen Sie sich als Rentnerin?

Ursula Caberta: Als Rentnerin fühle ich mich ganz und gar nicht. Ich habe eine Menge noch nicht spruchreifer Pläne und arbeite an einem Buch über alles, was man über Scientology wissen sollte. Das fällt mir gar nicht so leicht, da ich innerlich schon etwas mit dem Thema abgeschlossen habe.

Zum Abschied warfen Sie dem Hamburger Senat fehlende politische Rückendeckung vor.

2010 hat der heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Dressel den schönen Ausspruch getan: „Nicht Scientology schafft Caberta, sondern der Senat.“ Er bezog das auf den damaligen CDU-Senat – aber unter der SPD hat sich das wahrlich nicht geändert.

Nach 20 Jahren: Was hat die Arbeitsstelle erreicht?

Einer der wichtigsten Punkte ist, dass der Staat angefangen hat, sich mit dieser Gruppe systematisch auseinanderzusetzen. Das hatte zur Folge, dass Scientology nicht mehr als Religion klassifiziert wurde, sondern als politische Bewegung mit einer menschenverachtenden und freiheitsfeindlichen Ideologie. Das ist von Gerichten bestätigt worden.

Was noch?

Wir haben es geschafft, dass Menschen, die als ehemalige Mitglieder oder Angehörige Erfahrungen mit Scientology gesammelt haben, ihre Angst überwunden und den Mut gefunden haben, diese öffentlich zu machen. So sind viele Details aus dem Innenleben von Scientology ans Licht der Öffentlichkeit geraten.

1992 legte sich Hamburg die erste staatliche Stelle überhaupt zu, die sich ausschließlich mit Scientology befassen sollte.

Dieser Schritt war weltweit einmalig. Alle Parteien haben einmütig beschlossen, dass es die Stelle geben muss. Dass ich den Job bekam, dafür gibt es zwei Erklärungsmuster. Das eine lautet: Ich hatte mich für die SPD-Fraktion, deren Mitglied ich damals war, mit Scientology intensiv beschäftigt. Das hat mich qualifiziert. Das andere heißt: Bürgermeister Henning Voscherau hat die Chance genutzt, mich loszuwerden aus der Fraktion. Ich galt als nicht ganz pflegeleicht.

Hand aufs Herz: Wie hoch schätzen Sie selbst Ihr diplomatisches Geschick ein?

Sagen wir es so: Ich habe nie dazu geneigt, mich übermäßig anzupassen. Diplomatie und Geduld gehören nicht zu meinen ausgeprägtesten Eigenschaften. Ich muss allerdings einschränken, dass ich schon mit strategischem Geschick vorgehen kann, wenn ich etwas erreichen will und von einer Sache wirklich überzeugt bin. Dann ziehe ich alle Register.

2010 erfuhren Sie, dass Ihre Dienststelle geschlossen werden soll.

Ende 2009 bekam ich einen Anruf vom damaligen Amtsleiter der Innenbehörde, der mir mitteilte, dass die Ausstattung der Dienststelle halbiert wird. Angeblich wollte das der Koalitionspartner so, die Grünen. Das war natürlich kompletter Quatsch, und ich habe mich gefragt, für wie dumm ich eigentlich verkauft werden soll. Ich habe einen Vorschlag gemacht, wie es mit der Hälfte des Geldes irgendwie weitergehen kann, auf den ich nie irgendeine Reaktion bekommen habe. Man erhielt in dieser Behörde sowieso nie eine Antwort, nicht mal eine Ablehnung. Das hat sich auch unter SPD-Senator Neumann nicht geändert.

Und dann?

Irgendwann tauchten die Kollegen der benachbarten Feuerwehr mit einem Pott Kaffee auf und sagten, sie wollten sich die Räume anschauen. Ich antwortete: „Die kennt ihr doch.“ – Und bekam zu hören: „Nein, genauer, wir ziehen hier doch ein.“ Das war schon prima, so vom Ende der Dienststelle zu erfahren, die ich 18 Jahre geleitet hatte.

Heute hört man nur noch wenig von Scientology. Ist es da nicht folgerichtig, die Arbeitsgruppe dicht zu machen?

Scientology hat sich nach Krisen immer wieder berappelt. Wir haben zwar viel Erfolg gehabt, aber was unterschätzt und verharmlost wird, ist, dass Scientology wie ein Chamäleon in immer neuen Farben wieder an die Oberfläche kommt. Da muss man permanent dran bleiben.

Die Gefahr ist also nicht gebannt?

Sie existiert nach wie vor. Die menschenverachtende Ideologie von Scientology wird weiter den Menschen ins Hirn implantiert.

Aber sogar der Hamburger Verfassungsschutz sieht Scientology auf dem Rückzug.

Das Problem ist, dass die Verfassungsschützer alle Gefährlichkeit immer an der Menge der Menschen festmachen, die sie gezählt haben. Bei einer weltumspannenden Ideologie ist aber nicht die zentrale Frage, wie viele Scientologen befinden sich gerade in Hamburg, sondern an welchen Stellen sitzen die und welchen Einfluss haben sie.

Von Ihnen hat der Verfassungsschutz nun die Beratung von Aussteigern übernommen.

Wir haben Menschen, die sich lösen wollten, über Jahre begleitet und versucht, ihr Leben wieder in Ordnung zu bringen, von der Wohnungssuche bis hin zur Zusammenführung an der Sekte zerbrochener Familien. Das aber gehört definitiv genauso wenig zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes wie die Betreuung von Angehörigen. Bei der Aussteigerberatung gibt es zudem einen Zielkonflikt: Das Interesse des Verfassungsschutzes, diese Menschen erst mal abzuschöpfen und vielleicht sogar als Informanten in der Organisation zu belassen. Das aber hilft den Aussteigewilligen nicht wirklich. Die Opfer haben faktisch keine Anlaufstelle mehr.

Das einzige, das mit der Arbeitsstelle verloren geht?

Verloren gegangen ist unser Scientology-Archiv, das größte weltweit. Das vermodert vermutlich in verschlossenen Kellerräumen des Verfassungsschutzes und niemand kommt mehr ran.

Ehe Sie hauptamtliche Scientology-Gegnerin wurden, waren Sie sechs Jahre lang Bürgerschaftsabgeordnete.

Das hat schon Spaß gemacht, aber die Mechanismen innerhalb einer Fraktion haben mich entsetzt. Es gab kaum inhaltliche Auseinandersetzungen und eine Tagesordnung mit tausend Punkten, die in einer Stunde abgearbeitet wurde. Als Regierungsfraktion durfte man den Senat nicht kritisieren. Mir hingegen hat es Freude bereitet, auch mal anzuecken. Es gab schon zu meiner Zeit wenig Abgeordnete, die für Inhalte standen. Man arbeitet eine Zeit lang in einer Partei mit und will dann als Belohnung ein Mandat. Diese Tendenz zum inhaltsfreien politischen Karrierismus hat sich wohl noch verstärkt.

Sie haben im Rahmen Ihrer Arbeit auch die Esoterikszene frontal angegriffen.

Nicht angegriffen, aufgeklärt!

Warum lassen Sie den Leuten nicht Ihre Bachblüten und Tarot-Karten?

Das ist nicht mein Punkt. In den Neunzigerjahren krabbelte jede Woche ein neuer Guru aus dem Gulli, die ganze Szene wurde immer kommerzieller. Da wurden Opfer produziert. Wir haben rechtsfreie Räume in der Psycho-Heiler-Szene. Wenn da was schief läuft, ein Heiler jemand ins Unglück treibt, passiert ihm nichts. Auf solche Auswüchse hinzuweisen, war mein Job. Denn es gibt nicht nur Gammelfleisch für den Magen, sondern auch Gammelangebote für die Seele.

Ihre letzte Attacke galt der Sängerin Nena und ihrer Hamburger Privatschule.

Wieso Attacke? Was bitte befähigt so eine bekennende Esoterikerin, eine Schule zu führen – und welche Kriterien müssen wir an Privatschulen stellen? Diese Fragen muss man stellen dürfen.

Die Schulbehörde hat gesagt, Ihre Vorwürfe seien durchweg unbegründet.

63, leitete von 1992 bis 2012 die Arbeitsstelle Scientology der Hamburger Innenbehörde. Davor war sie sechs Jahre lang für die SPD in der Hamburgischen Bürgerschaft. 2001 trat sie aus der Partei aus - vor allem wegen Gerhard Schröder und der Agenda-Politik.

Diese Reaktion hat mich nicht gewundert. Der Staat sollte seine Bildungspflicht nicht an private Anbieter delegieren. Und die staatlichen Schulen sollten so ausgestattet werden, dass Privatschul-Angebote für Eltern gar nicht mehr attraktiv sind. Wir können ja nicht jedem Esoteriker erlauben, eine Schule zu gründen.

Werden wir von Ihnen hören, Frau Caberta?

Ich werde meine Meinung lautstark äußern, wenn man mich fragt. Sollte man mich nicht mehr fragen, ist das auch okay.

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