ABRA beim Berliner Festival­ „Pop-Kultur“: Prinzessin, die sich ans Pferd fesselt

Die Künstlerin ABRA aus Atlanta ist die Zukunft der Black Music. Ihr Sound: reduziert. Ihre Texte und ihre Bildsprache: opulent.

Die Sängerin ABRA kauert auf einem Sofa, links und rechts Grünpflanzen

Die Zukunft liegt auf dem Sofa: ABRA Foto: Pop-Kultur

Eine junge Frau singt mit souliger Stimme in die Laptop-Kamera. Sie interpretiert Songs von US-Südstaaten-Rappern wie Gucci Mane, nur begleitet von ihrer akustischen Gitarre. So fing es für ABRA an. Ihre Coverversion von Ludacris’ „You’s A Hoe“ leitet sie mit den Worten ein, wie ihr jener Song durch einen schweren Monat geholfen habe. Die in New York geborene und in London aufgewachsene Künstlerin wird nach dem Umzug in die Südstaatenmetropole Atlanta zur Außenseiterin.

Raus aus der Isolation geht es für ABRA erst, als sie die Welt von Trap- und Dirty-South-HipHop für sich entdeckt und Anschluss an die Clique um den Rapper Father findet. Nun komponiert sie eigene Tracks und tauscht das akustische Set-up gegen ein elektronisches Instrumentarium, über das sie mehrdeutige Texte haucht. Ihre Stimme klingt mal direkt und eindringlich, mal völlig unnahbar. Nach den beiden im Alleingang veröffentlichten Produktionen „BLQ VELVET“ und „Rose“ erschien kürzlich die tolle EP „Princess“. Für die Aufnahmen zieht ABRA zurück in ihr Kinderzimmer in der Vorstadt. Kniend auf dem Boden ihres Kleiderschranks, singt sie die Songs ein.

Als 8-Jährige führt die missionarische Arbeit der Eltern ABRA von Großbritannien in die Süden der USA. In ihrer Gedankenwelt fallen der Crunk genannte Rap im Süden und die allgegenwärtige US-Sklavengeschichte, in der die Zwangsarbeiter zeitweise 50 Prozent der Gesamtbevölkerung ausgemacht haben, zusammen. ABRA fällt zudem auf, weil sie mit britischem Akzent spricht – etwas, das die anderen Kids vorher nur von Weißen kannten.

In ABRAS Soundsignatur zeichnen sich Konservenbeats, und Synthiemelodien deutlich ab, darüber schichtet sie verschiedene Gesangsspuren. Auf den sechs Stücken von „Princess“ kristallisiert sich eine Referenz an die Achtziger deutlich heraus. „Crybaby“ sticht hervor, weil es voller Anspielungen an das mitunter knallige Jahrzehnt steckt. Bei ABRA allerdings bleibt das Farbspektrum dunkel. „Darkwave Dutchess“ ist ihr Spitzname. Eher düster ist also ihr Sound, ihre Themen sind es ohnehin.

ABRA: „Princess“ (Awful Records/True Panther)

Live: Freitag, 2. 9. 2016, SchwuZ, Berlin (im Rahmen des Festivals „Pop-Kultur“)

Smooth, dunkel, visionär

„I Can’t Take It“ ist ihre Botschaft: Das Zwischenmenschliche ist nicht auszuhalten. Doch ABRAs lyrisches Ich zeigt, dass Sehnsucht und Selbstbestimmung keine Gegensätze sind. Der Vorwurf, eine Heulsuse („Crybaby“) zu sein, wird meist gemacht, um fehlende emotionale Härte anzuprangern, ABRA stellt mit „Crybaby“ klar, wer für die Tränen verantwortlich ist: „You callin’ me a crybaby / But you’re makin’ me cry“. Es sind Tränen der Wut, des Genervtseins. Auch wenn ihre Stimme mitunter zerbrechlich klingt, sie ist es keinesfalls.

Reduktion, wie sie ABRAs Sound auszeichnet, wird mit ihren Texten und in der Bildsprache konterkariert: Auf dem Cover zu „Princess“ wartet sie nicht, dass der Prinz auf einem Schimmel herbeireitet, sondern fesselt sich an das Pferd. Im Video zu „Roses“ performt sie als Lolita in einem Meer aus Kuscheltieren, wetzt ein überdimensionales Messer, mit dem sie daraufhin ihren Liebhaber ersticht. Dazu singt sie: „I’m young and I’ll waste you anyway.“

In „Big Boi“ rollt der Beat langsam über ein steiniges Feld, das auch das aus Backgroundchören bestehende Soundbett nicht weichzeichnet. Vielmehr unterbrechen tiefe, verzerrte Stimmsamples die Raps, die die kanadische Künstlerin Tommy Genesis beisteuert: „You’re a big boy / But you’re not going to be my man“. Auch Tommy Genesis ist Teil von Awful Records, dem Label um den Rapper Father, das immer wieder als Familie postuliert wird. Auch ABRA hat hier die Akzeptanz gefunden, die ihr gefehlt hat.

Ihre smoothen, dunklen Sounds sind futuristisch. Dabei klingen sie ganz anders als das, was zuletzt immer als Zukunft von R&B betitelt wurde, unter anderem etwa die Musik der Künstlerinnen FKA twigs und Kelela. Von diesen hebt sich ABRA aber nicht nur ab, weil sie weniger roboterhaft herüberkommt wie ihre Kolleginnen, sondern auch darum, weil die 20-Jährige auch in der Produktion größtenteils unabhängig arbeitet.

Während beim Debüt von FKA twigs vor zwei Jahren diskutiert werden musste, wer im Studio die Hosen anhatte, und bei Kelelas EP aus dem vergangenen Jahr mehr über den darin eingeschriebenen Sound von Produzent Arca gesprochen wurde, stammt bei ABRA jede Note aus ihrer eigenen Feder.

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