A. Seubert über die Genossenschaft: Beweglich und unabhängig bleiben

Was haben Titelseiten-Diskussionen und die taz-Genossenschaft miteinander zu tun? Einiges! Ein kleiner Einblick.

Annabelle Seubert arbeitet seit 2011 als Redakteurin in der Wochenendausgabe der taz Bild: Karsten Thielker

von ANNABELLE SEUBERT

Als ich bei der taz am Wochenende angefangen habe, haben wir in der Wochenendredaktion oft überlegt, wie die Titelseiten auszusehen haben. Wir wollten sie neu machen, auffälliger und imposanter. Immer wieder hörte ich damals den Satz: „Das funktioniert am Kiosk nicht.“ Ein „Plakat“ – mit großem Foto und wenig Text: funktionierte am Kiosk nicht. Viele Ankündiger mit kleinerem Foto: funktionierten am Kiosk nicht. Eine Titelgeschichte über die Liebe: HALLO, AM KIOSK???

Ich wunderte mich über die Gewissheit, mit der meine Kolleginnen und Kollegen schon vor Erscheinen unserer Zeitung über ihre Verkaufszahlen sprachen. Bis ich die taz allmählich verstand.

Irgendwann sah ich ein, dass niemand wirklich wissen konnte, was am Kiosk funktionierte, dass die KollegInnen stattdessen mit viel Verve über ihre taz sprachen und mit einer Leidenschaft daran arbeiteten, sie gut und besser zu machen, die auch für ein Medienunternehmen bestimmt nicht selbstverständlich ist. In der taz wird geliebt und gestritten wie in einer Familie. Man kritisiert und versöhnt sich und stellt die eigenen Gewissheiten in Frage.

Vor Kurzem haben wir in der Wochenendredaktion wieder die Titelseiten überarbeitet. Es ist jetzt alles möglich, Plakate, wenig Text, ausschließlich Text; es gibt fünf „Eskalationsstufen“ und niemand hat gesagt, dies oder das funktioniere am Kiosk nicht.

Titelgeschichten über die Liebe haben wir längst gemacht, und da kommen noch mehr – solange wir beweglich bleiben und unabhängig genug, um uns zu verändern; und die Genossenschaft die Unabhängigkeit unserer Redaktion stützt.